Hans Pleydenwurff: Kanonikus Georg von Löwenstein mit Andachtsbuch, um 1456
Der Begriff Erbauungsliteratur beschreibt ursprünglich volksnahe Schriften mit religiöser Motivation. Bei der Erbauungsliteratur handelt es sich nicht um theologische Literatur, da sie keine wissenschaftlichen Diskurse verfolgt und keine dogmatischen Absichten besitzt. Vielmehr war mit den Veränderungen der Neuzeit eine Konzentration auf die Innerlichkeit zu verzeichnen, die sich durch gesteigerte Frömmigkeit hervortat. Es handelte sich um eine Anleitung für ein tugendhaftes Leben, die emotional den Geist erbauen sollte.
Aufgrund der bewussten Schlichtheit der Inhalte wurde der Begriff in späterer Zeit auch negativ wertend gebraucht. Im 19. Jahrhundert verstand man deshalb unter Erbauungsliteratur auch kitschige oder einfältige Literatur. Mit der Industrialisierung des Buchdrucks erwuchs zunächst in den 100.000-fach vertriebenen erbaulichen Traktaten eine eigene Literaturform. Begonnen mit den im angelsächsischen Bereich entstehenden Traktatgesellschaften, verbunden mit dem Aufkommen des Kolportagehandels setzte sich diese Vertriebsform rasch im gesamten europäischen Raum durch. Bahnbrecher des Vertriebs von Erbauungsliteratur im deutschsprachigen Raum waren damals u. a. das Haus Bertelsmann sowie der Christliche Verein im nördlichen Deutschland. Im 19. Jahrhundert wurde Erbauungsliteratur zunehmend durch die Unterhaltungsliteratur verdrängt.
Literatur
John Procopé, Rudolf Mohr, Hans Wulf: Erbauungsliteratur I. Alte Kirche II. Mittelalter bis Neuzeit III. Reformations- und Neuzeit IV. Die Erbauungsliteratur in der Gegenwart, in: Theologische Realenzyklopädie 10 (1982), 28–83 (umfassender Überblick mit weiterer Literatur)