Emil Bock wuchs zusammen mit dem acht Jahre älteren Bruder Wilhelm in bescheidenen Verhältnissen in Wuppertal-Barmen auf.
1914 schloss er seine Schulzeit mit dem Abitur ab und begann an der Bonner UniversitätGermanistik und neuere Sprachen zu studieren. Er meldete sich freiwillig zur Armee und wurde bereits am 31. Oktober 1914 in Flandern an der Front verwundet. Während des Ersten Weltkriegs konnte er nur nebenbei studieren. 1916 begegnete er erstmals dem evangelischen Prediger Friedrich Rittelmeyer in Berlin, besuchte dort philosophische und theologische Vorlesungen und holte das Latinum, das Graecum und das Hebraicum nach. Nach seiner Entlassung aus dem Kriegsdienst studierte er ab 1918 evangelische Theologie in Berlin und schloss 1921 nach dem Vikariat mit einer Lizentiatsarbeit über Schleiermachers historische Denkweise ab.
Bereits im Juni desselben Jahres hatte er mit einigen Gleichgesinnten in Stuttgart am ersten Kursus für Theologen von Rudolf Steiner teilgenommen. Nach einem zweiten Kursus im September 1921 im Goetheanum in Dornach bei Basel machte sich Bock als Sprecher der jungen Theologen zusammen mit Rittelmeyer an die Gründung der Christengemeinschaft, die im September 1922 in Breitbrunn am Ammersee vorbereitet und anschließend in Dornach vollzogen wurde.
Am 13. November 1922 heiratete Bock in Stuttgart Grete Seumer. Mit ihr hatte er vier Kinder.
Bald betraute man ihn mit der Leitung der Priesterseminar-Kurse in Stuttgart, die er 1931 an Gottfried Husemann weitergab. Als Rittelmeyer am 23. März 1938 starb, wurde Bock zu seinem Nachfolger im Amt des „Erzoberlenkers“ der Christengemeinschaft berufen.
Am 12. August 1939 starb seine Ehefrau Grete nach der Geburt des vierten Kindes.
Als Priester, Schriftsteller und Vortragsredner war Bock bis an sein Lebensende tätig. Er starb im Alter von 64 Jahren am 6. Dezember 1959 in Stuttgart. Sein Nachfolger als Erzoberlenker wurde 1960 Rudolf Frieling.
Theologie und Philosophie
Als Exeget und Schriftsteller folgte Bock anfangs den anthroposophischen Ideen Rudolf Steiners, entwickelte aber bald seine eigene philosophische Richtung. In seinen Werken setzte er mit der Kirchengeschichte einen Schwerpunkt, thematisierte aber sowohl das Alte wie das Neue Testament.
Er arbeitete intensiv an einer „zeitgemäßen“ Übersetzung des gesamten Neuen Testaments; eine erste Fassung erschien zwischen 1927 und 1933, eine zweite 1950, beide in Betonung ihres „provisorischen“, nach einer neuen Bibelsprache tastenden Charakters; allerdings (noch) nicht in Buchform. Sein Ziel war, mit Hilfe eines mehr umschreibenden Stils die „Buchstaben“ des überlieferten Wortlautes für ihren Sinn und Geist möglichst durchlässig zu machen. Seine Neuübersetzung wurde allerdings von der Mehrheit christlicher Theologen verworfen.
Bock deutete wiederholt – etwa in seinem exegetischen Werk Das Evangelium – an, dass er sich mit seinen Gedanken keineswegs nur an ein anthroposophisch orientiertes Publikum wenden wollte, obwohl sein Werk ausschließlich von anthroposophischen Verlagen publiziert wurde. Seine schwungvoll formulierten geistesgeschichtlichen Überblicke fanden aber weit über die Kreise der Anthroposophen hinaus begeisterte Leser wie beispielsweise den Dirigenten Bruno Walter oder den Filmregisseur Ludwig Berger. Wie sein Briefwechsel zeigt, war Bock auch mit vielen Persönlichkeiten des deutschen Geisteslebens in Kontakt.
Schriften
Zur religiösen Erneuerung (mit Friedrich Rittelmeyer), Sonderdruck (aus Die Drei, Jg. 1, Heft 9), 1922
Die Kindheit Jesu. Zwei apokryphe Evangelien, Michael Verlag (Christus aller Erde 14/15), München 1924
Das lichte Jahr. Vom Jahreslauf und den Festen (mit Rudolf Meyer), Verlag der Christengemeinschaft (Christus aller Erde 4), Stuttgart 1924
Gegenwartsrätsel im Offenbarungslicht (mit Rudolf Frieling, Johannes Werner Klein, Eberhard Kurras und Rudolf Meyer), Verlag der Christengemeinschaft (Christus aller Erde 16), Stuttgart 1925
Ein Spiel von Johannes dem Täufer. Gemeinde-Spiel zur Sommersonnenwende, Stuttgart 1927
Beiträge zum Verständnis des Evangeliums, Typoskripte, Stuttgart 1927–29 (neu bearbeitet in zwei Bänden 1950)
Neuausgabe als: Das Evangelium. Gesammelte Betrachtungen zum Neuen Testament, Stuttgart 1984 (2. A. 1995), ISBN 3-87838-406-8
Boten des Geistes. Schwäbische Geistesgeschichte und christliche Zukunft, Stuttgart 1929 (4. A. 1987)
Die Katakomben. Bilder von den Mysterien des Urchristentums (mit Robert Goebel), Stuttgart 1930 (2., neu bearbeitete Auflage 1960)
Wiederholte Erdenleben. Die Wiederverkörperungsidee in der deutschen Geistesgeschichte, Stuttgart 1932 (7. A. 1996), ISBN 3-87838-027-5
Beiträge zur Übersetzung des Neuen Testaments, Typoskripte, Stuttgart 1930–33 (neu bearbeitet in zwei Bänden 1950)
Neuausgabe als: Das Neue Testament, Stuttgart 1980; aktuell: Stuttgart 1998, ISBN 3-8251-7221-X
Beiträge zur Geistesgeschichte der Menschheit, 7 Bände, Stuttgart 1934ff
Rudolf F. Gädeke: Emil Bock, in: Die Gründer der Christengemeinschaft, Verlag am Goetheanum (Pioniere der Anthroposophie 10), Dornach 1992, S. 68–85, ISBN 3-7235-0639-9
Gundhild Kačer-Bock: Emil Bock. Leben und Werk, Urachhaus, Stuttgart 1993, ISBN 3-87838-970-1
Lothar Gassmann: Das anthroposophische Bibelverständnis. Eine kritische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der exegetischen Veröffentlichungen von Rudolf Steiner, Friedrich Rittelmeyer, Emil Bock und Rudolf Frieling, Brockhaus, Wuppertal 1993, ISBN 3-417-29383-9