Elektronen sind Bestandteile von Atomen und damit von jeder Art gewöhnlicher Materie. Sie sind an den Atomkern gebunden und bilden die Elektronenhülle des Atoms. Die gesamte Chemie beruht im Wesentlichen auf den Eigenschaften und Wechselwirkungen dieser gebundenen Elektronen.
In Metallen ist ein Teil der Elektronen nahezu frei beweglich und bewirkt die hohe elektrische Leitfähigkeit metallischer Leiter. Dies ist die Grundlage der Elektrotechnik und der Elektronik. In Halbleitern ist die Zahl der beweglichen Elektronen und damit die elektrische Leitfähigkeit leicht zu beeinflussen, sowohl durch die Herstellung des Materials als auch später durch äußere Einflüsse wie Temperatur, elektrische Spannung, Lichteinfall etc. Dies ist die Grundlage der Halbleiterelektronik.
Das Konzept einer Elementarladung, also einer kleinsten, unteilbaren Menge der elektrischen Ladung oder „Atom der Elektrizität“, wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts verschiedentlich vorgeschlagen, unter anderen von Richard Laming, Wilhelm Weber und Hermann von Helmholtz.[6]
George Johnstone Stoney schlug 1874 die Existenz elektrischer Ladungsträger vor, die mit den Atomen verbunden sein sollten. Ausgehend von der Elektrolyse schätzte er die Größe von deren Ladung ab, erhielt allerdings einen um etwa den Faktor 20 zu niedrigen Wert.[7] Beim Treffen der British Association for the Advancement of Science in Belfast schlug er vor, die Elementarladung als eine weitere fundamentale Naturkonstante zusammen mit der Gravitationskonstante und der Lichtgeschwindigkeit als Grundlage physikalischer Maßsysteme zu verwenden.[8][9] Stoney prägte auch gemeinsam mit Helmholtz den Namen electron.[10] Der Name erinnert an das altgriechische Wort für den „Bernstein“, an dem elektrostatische Phänomene schon in der Antike untersucht wurden. In der deutschen Aussprache kann wahlweise auch die zweite oder dritte Silbe betont sein.
Später kam die alternative Bezeichnung Negatron (aus negative Ladung und Elektron, im Gegensatz zum Positron) auf, wird aber außer in der Beta-Spektroskopie kaum noch verwendet.
Emil Wiechert fand 1897 heraus, dass die Kathodenstrahlung aus negativ geladenen Teilchen besteht, die sehr viel leichter als ein Atom sind, stellte dann aber seine Forschungen hierzu ein. Im gleichen Jahr bestimmte Joseph John Thomson die Masse der Teilchen (er bezeichnete sie erst als corpuscules) genauer und konnte nachweisen, dass es sich unabhängig vom Kathodenmaterial und vom Restgas in der Kathodenstrahlröhre immer um die gleiche Art von Teilchen handelt.[11] In dieser Zeit wurde anhand des Zeeman-Effektes nachgewiesen, dass diese Teilchen auch im Atom vorkommen und dort die Lichtemission verursachen. Damit war das Elektron als Elementarteilchen identifiziert.
Die Elementarladung wurde erstmals 1909 durch Robert Millikan direkt gemessen.
Eigenschaften
Stabilität
Das Elektron ist das leichteste der elektrisch geladenen Elementarteilchen. Wenn die Erhaltungssätze für Ladung und Energie gelten – was aller physikalischen Erfahrung entspricht – müssen Elektronen daher stabil sein. In der Tat gibt es bisher keinerlei experimentellen Hinweis auf einen Elektronenzerfall.
Spin und magnetisches Moment
Das Elektron gehört zu den Leptonen und hat wie alle Leptonen einen Spin (genauer: Spinquantenzahl) von ½. Als Teilchen mit halbzahligem Spin gehört es zur Klasse der Fermionen, unterliegt also insbesondere dem Pauli-Prinzip. Sein Antiteilchen ist das Positron, Symbol e+, mit dem es bis auf seine elektrische Ladung in allen Eigenschaften übereinstimmt.
Einige der Grundeigenschaften des Elektrons, die in der oben stehenden Tabelle aufgelistet sind, werden durch das magnetische Moment des Elektronenspins miteinander verknüpft:
.
Dabei ist das magnetische Moment des Elektronenspins, die Masse des Elektrons, seine Ladung und der Spin. heißt Landé- oder g-Faktor. Der Term vor , der das Verhältnis des magnetischen Moments zum Spin beschreibt, wird als gyromagnetisches Verhältnis des Elektrons bezeichnet. Für das Elektron wäre nach der Dirac-Theorie (relativistische Quantenmechanik) exakt gleich 2. Effekte, die erst durch die Quantenelektrodynamik erklärt werden, bewirken jedoch eine messbare geringfügige Abweichung von 2. Diese Abweichung wird als anomales magnetisches Moment des Elektrons bezeichnet.
Räumliche Ausdehnung
Das Elektron hat keine innere Struktur und kann als punktförmig angenommen werden. Die experimentelle Obergrenze für die Größe des Elektrons liegt derzeit bei etwa 10−19 m. Dies sind Größenordnungen, bei denen die klassische Physik nicht mehr anwendbar ist. Denn bereits bei Längen der Größenordnung , was im Bereich 10−12 m liegt, werden Quanteneffekte wie Vakuumpolarisation relevant.
Auch die Suche nach einem elektrischen Dipolmoment des Elektrons blieb bisher ohne positiven Befund. Ein Dipolmoment würde entstehen, wenn bei einem nicht punktförmigen Elektron der Schwerpunkt der Masse nicht gleichzeitig der Schwerpunkt der Ladung wäre. So etwas wird von Theorien der Supersymmetrie, die über das Standardmodell der Elementarteilchen hinausgehen, vorhergesagt; es würde die T-Symmetrie verletzen (zur Begründung siehe: Elektrisches Dipolmoment des Neutrons). Nach Messungen in starken intramolekularen Feldern ist ein eventuelles Dipolmoment nicht größer als e · 4.1e-32 m.[12] Anschaulich bedeutet das, dass Ladungs- und Massenmittelpunkt des Elektrons nicht weiter als einige 10−32 m auseinanderliegen können.
Chemische Bindungen hängen von Größe und Konfiguration der Atomorbitale ab. Diese sind von der Größenordnung 10−10 m, was aber keine intrinsische Ausdehnung der Elektronen ist, sondern deren Wellenfunktion, die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit bestimmt.
Vor der Entwicklung der Quantenphysik ging man davon aus, dass das Elektron einen endlichen Radius haben müsse, weil die Konzentration der Elektronenladung auf eine sehr kleine Ausdehnung des Elektrons sehr viel Energie benötigt, die nach der Äquivalenz von Masse und Energie in der Masse des Elektrons enthalten sein müsste und diese nicht überschreiten könnte. Man erhielt bei der Abschätzung je nach Modell leicht unterschiedliche Werte in der Größenordnung von 10−15 m (→ siehe Klassischer Elektronenradius).
Von der (eventuellen) Ausdehnung des Elektrons zu unterscheiden ist sein Wirkungsquerschnitt für Wechselwirkungsprozesse. Bei der Streuung von Röntgenstrahlen an Elektronen erhält man z. B. einen Streuquerschnitt von etwa , was der Kreisfläche mit dem oben beschriebenen klassischen Elektronenradius entspräche. Im Grenzfall großer Wellenlängen, d. h. kleiner Photonenenergien, steigt der Streuquerschnitt auf (siehe Thomson-Streuung und Compton-Effekt).
In einem Festkörper erfährt das Elektron Wechselwirkungen mit dem Kristallgitter. Sein Verhalten lässt sich dann beschreiben, indem statt der Elektronenmasse die abweichende effektive Masse verwendet wird, die auch abhängig von der Bewegungsrichtung des Elektrons ist.
Das Verhältnis e/m der Elektronenladung zur Elektronenmasse kann als Schulversuch mit dem Fadenstrahlrohr ermittelt werden. Die direkte Bestimmung der Elementarladung gelang durch den Millikan-Versuch.
Bei Elektronen, deren Geschwindigkeit nicht vernachlässigbar klein gegenüber der Lichtgeschwindigkeit ist, muss der nichtlineare Beitrag zum Impuls nach der Relativitätstheorie berücksichtigt werden. Elektronen mit ihrer geringen Masse lassen sich relativ leicht auf so hohe Geschwindigkeiten beschleunigen; schon mit einer kinetischen Energie von 80 keV hat ein Elektron die halbe Lichtgeschwindigkeit. Der Impuls lässt sich durch die Ablenkung in einem Magnetfeld messen. Die Abweichung des Impulses vom nach klassischer Mechanik berechneten Wert wurde zuerst von Walter Kaufmann 1901 nachgewiesen und nach der Entdeckung der Relativitätstheorie zunächst mit dem Begriff der „relativistischen Massenzunahme“ beschrieben, der aber inzwischen als überholt angesehen wird.
↑Die Angaben über die Teilcheneigenschaften (Infobox) sind, wenn nicht anders angegeben, entnommen aus: CODATA Recommended Values (2022). National Institute of Standards and Technology, abgerufen am 12. Juni 2024. Die eingeklammerten Ziffern bezeichnen die Unsicherheit in den letzten Stellen des Wertes, diese Unsicherheit ist als geschätzte Standardabweichung des angegebenen Zahlenwertes vom tatsächlichen Wert angegeben.
↑
Stefan Kleiner et al.: Duden Aussprachewörterbuch. Der Duden in zwölf Bänden, Band 6. 7. Auflage. Dudenverlag, Berlin 2015, ISBN 978-3-411-04067-4, S.338.
↑H. Rechenberg: The electron in physics – selection from a chronology of the last 100 years. In: European Journal of Physics. Band18.3, 1997, S.145.
↑J.J. Thomson: Cathode Rays. In: Philosophical Magazine. Band44, 1897, S.293 (Online – J. J. Thomson (1856–1940): Cathode Rays).
↑Theodore Arabatzis: Representing Electrons: A Biographical Approach to Theoretical Entities. University of Chicago Press, 2006, ISBN 0-226-02421-0, S.70f. (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑G. Möllenstedt und H. Düker: Beobachtungen und Messungen an Biprisma-Interferenzen mit Elektronenwellen. In: Zeitschrift für Physik. Nr.145, 1956, S.377–397 (frei zugänglich nach Anmeldung).