Hans Joseph und Edgar Weil wuchsen überwiegend in Frankfurt am Main auf, sie wohnten in der Friedberger Anlage 9, nahe dem Unternehmenssitz ihres Vaters in der Grüne Straße 11–13.[9] Nach 1920 freundeten sie sich eng mit ihrem Mitschüler Walter Jockisch von der Musterschule an. Mit ihrer Großkusine Grete Dispeker verbrachten sie und Jockisch im Landhaus von deren Familie in Egern am Tegernsee viel gemeinsame Zeit. Dort lernten sie deren Freundin Doris von Schönthan kennen. Edgar freundete sich auch eng mit Heinz-Günther Knolle (1912–1999) an, den er über Jockisch und seine Kusine Grete kennengelernt hatte, die ab 1925 (Knolle) bzw. 1930 (Jockisch) mit dem von Martin Luserke geleiteten reformpädagogischenLanderziehungsheimSchule am Meer auf der Nordseeinsel Juist verbunden waren. Grete zählte zu den Vertrauensleuten des Internats und hatte im September 1929 mit Knolle an einer von deren Jahresfahrten zum Bergsteigen und Skifahren in die Dolomiten teilgenommen, organisiert durch den Alpinisten und S.a.M.-Schüler Ulrich Sild (1911–1937).
Am 26. Juli 1932 heiratete Edgar Weil seine zwei Jahre ältere Großkusine Grete (1906–1999), geborene Dispeker. Die Ehe blieb kinderlos.
Im niederländischen Exil traf sich das Ehepaar mit seinen ebenfalls in die Niederlande emigrierten Freunden, beispielsweise mit dem Maler Max Beckmann, dem Schriftsteller Albert Ehrenstein und dem Dirigenten Bruno Walter.
Studium
Edgar Weil studierte Germanistik und promovierte zum Thema Alexander von Sternberg (Peter Alexander Freiherr von Ungern-Sternberg) – Ein Beitrag zur Literatur- und Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts zum Doctor philosophiae (Dr. phil.)[10]
Berufliche Entwicklung
Weil arbeitete als Dramaturg an den Münchner Kammerspielen, als seine beruflichen Aussichten und Pläne durch die Machtabtretung an die Nationalsozialisten ab 30. Januar 1933 jäh gestoppt wurden. Als Jude wurde er sofort entlassen. Die Judenhetze und die erlassenen NS-Gesetze, die Juden in Deutschland sukzessive aus dem öffentlichen Leben drängen sollten, ließen erkennen, dass es um die Existenz ging, zunächst ersichtlich vor allem um die wirtschaftlichen Grundlagen. Viele Berufe wurden Juden dadurch verbaut. Im März 1933 wurde Weil von der SA willkürlich verhaftet und in so genannte „Schutzhaft“ genommen, für ihn und seine Familie ein weiterer Hinweis, was künftig zu erwarten war.
Der Erhalt des pharmazeutischen Unternehmens seines Vaters wurde durch die staatlich betriebene „Arisierung“ ebenfalls bedroht, so dass die Familie beschloss, Edgar in die Niederlande zu schicken, um dort einen Filialbetrieb aufzubauen, der das Unternehmen und damit auch den wirtschaftlichen Rückhalt der Familie vor dem Zugriff der Nationalsozialisten absichern sollte. Noch 1933 emigrierte Edgar Weil, um Endopharm in Amsterdam aufzubauen.
Seine Ehefrau Grete folgte ihm nach einer Ausbildung zur Fotografin 1935 in die Niederlande nach, wo das Paar in Amstelveen wohnte.[11]
1938 emigrierten auch Edgar Weils Mutter Paula und seine Schwiegermutter Isabella Dispeker in die Niederlande, letztere mit Unterstützung durch Erika Manns Partnerin Signe von Scanzoni, während sein Schwiegervater im selben Jahr verstarb und sein Bruder Hans Joseph in die Schweiz emigrierte, von wo er später in die Vereinigten Staaten auswanderte.
Als die Wehrmacht am 10. Mai 1940 mit dem Überfall und der Besetzung der Niederlande deutlich machte, dass die Nachbarländer Deutschlands kein sicherer Rückzugsort für Verfolgte waren, versuchte das Ehepaar über den Hafen von Ijmuiden vergeblich, per Schiff nach Großbritannien zu entkommen, wo es Gretes älteren Bruder, den Rechtsanwalt Fritz Dispeker (1895–1986), zu treffen hoffte. Die unternehmerischen Pläne Weils waren damit beendet.
Verfolgung und Deportation
Das Reichskommissariat Niederlande sorgte rasch dafür, dass die Nürnberger Gesetze auf die besetzten Gebiete ausgedehnt wurden, ein Umstand, der sich unmittelbar auch auf die Weils und Dispekers auswirkte. Mit einem kubanischen Touristenvisum wollte das Ehepaar Weil die Niederlande im Sommer 1941 verlassen. Während seine Frau das ihre bereits ausgehändigt bekommen hatte, holte Edgar Weil seines am 11. Juni 1941 in Rotterdam ab. Am selben Abend wurde er zufällig im Verlauf einer Razzia, die im Rahmen einer Vergeltungsaktion 300 jüdische Männer aufgreifen sollte, auf offener Straße verhaftet.
Man brachte ihn in ein Internierungs- und Konzentrationslager in den Dünen des nordholländischenSchoorl, das als Durchgangslager diente. Weils Geschäftspartner von Endopharm versuchten vergeblich, ihn dort durch Eingaben bei den deutschen Dienststellen frei zu bekommen.
Er wurde in das Konzentrationslager Mauthausendeportiert. Grete Weil erhielt am 15. Juli 1941 eine vorgedruckte Postkarte, die ihr dies mitteilte. Am 3. August schließlich erreichte sie ein erster Brief ihres Mannes, in dem sie verschlüsselt gebeten wurde, nicht Suizid zu begehen. Am 31. August 1941 erreichte sie das letzte schriftliche Lebenszeichen Edgar Weils.[14] Am 17. September 1941 wurde er im Alter von 33 Jahren für tot erklärt. Grete Weil erfuhr dies erst Anfang Oktober 1941 durch den Joodsche Raad Amsterdams.[15][16] Der erst 1951 erfolgte Eintrag im Sterberegister des Standesamtes Arolsen verzeichnet als Todesursache: „Auf der Flucht erschossen.“[2]
Würdigung
In der Maximilianstraße 26–28 gedenkt seit Juni 2020 ein Erinnerungszeichen der Stadt München Edgar Weils.[17]
Veröffentlichung
Alexander von Sternberg (Peter Alexander Freiherr von Ungern-Sternberg) – Ein Beitrag zur Literatur- und Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts. E. Ebering, Berlin 1932, OCLC1068181208 (Nachdruck: Kraus Reprint, Nendeln/Liechtenstein 1967)
Weblinks
Edgar Weil. In: Erinnerungszeichen München. Abgerufen am 4. März 2024.
Edgar Weil. In: Das Biografische Gedenkbuch der Münchner Juden 1933-1945. Abgerufen am 4. März 2024.
Einzelnachweise
↑Geburtsregister Edgar Weil, Standesamt Frankfurt am Main, Nr. 1923/1908; Zitiert nach: Sterberegister Edgar Weil, Standesamt Arolsen, Nr. 91/1951, 18. Oktober 1951
↑ abSterberegister Edgar Weil, Standesamt Arolsen, Nr. 91/1951, 18. Oktober 1951
↑Adreßbuch für Frankfurt am Main und Umgebung 1924 (PDF-Datei; 276,54 Megabyte). August Scherl Deutsche Adreßbuch-Gesellschaft m.b.H. Frankfurt a. M., S. 586 (Dr. R. u. Dr. O. Weil, chem. Präparate; Weil, Richard, Dr., Fabrk.)
↑Edgar Weil: Alexander von Sternberg (Peter Alexander Freiherr von Ungern-Sternberg) – Ein Beitrag zur Literatur- und Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts. E. Ebering, Berlin 1932, OCLC1068181208 (Nachdruck: Kraus, Nendeln/Liechtenstein 1967)
↑Laureen Nussbaum, Uwe Meyer: Grete Weil – unbequem, zum Denken zwingend. En: Claus-Dieter Krohn (Ed.): Exilforschung: Ein internationales Jahrbuch, Vol. 11, 1993 – Frauen und Exil. Zwischen Anpassung und Selbstbehauptung. Text und Kritik, München 1993, ISBN 3-88377-446-4, S. 156–170.