Computerphysik (englischComputational Physics) ist ein Teilgebiet der Physik, das sich mit der Computersimulation physikalischer Prozesse beschäftigt. Weitere Bezeichnungen des Fachgebiets sind u. a. Computergestützte Physik, Numerische Physik, oder auch Physikinformatik. Computerphysik ist ein Teil des wissenschaftlichen Rechnens und umgekehrt.
Als Grundlage dienen die Verfahren der numerischen Mathematik. Die Computerphysik befasst sich mit Methoden, welche die Ausgangsgleichungen, die ein physikalisches System beschreiben, numerisch oder algebraisch mit dem Computer lösen oder auch mit der Simulation von Regelsystemen, was die Aufstellung von Gleichungen erübrigt. Aufgrund vergleichbarer Verfahren existiert eine enge Beziehung zur Computerchemie, wodurch sie sich sehr stark gegenseitig beeinflussen.
Die Anfänge der Fachdisziplin hängen stark mit der Entwicklung von Rechenmaschinen (heute: Computern) ab den 1940er Jahren zusammen. In kurzer Zeit wurden Vakuumröhren-basierte Rechner wie bspw. die Britischen Rechner „Manchester Baby“ oder Colossus zügig durch elektronische Rechner ersetzt. Die ersten Ansätze für physikalische Berechnungen und Simulation fanden im Verlauf des Zweiten Weltkriegs als Teil des Manhattan-Projekts bspw. auf der Maschine ENIAC statt.[1] Seither findet ein rasanter Fortschritt bei der Rechentechnik, -leistung und auch bei der Entwicklung der physikalischen Lösungsmethoden statt. Die Fachzeitschrift Computer Physics Communications (CPC) feiert im Jahr 2020 ihr 50-jähriges Bestehen.[2] Einige Hersteller, wie Bull, Cray, oder IBM sind spezialisiert auf wissenschaftliches Rechnen. Die meisten Großforschungslabors betreiben eine Großcomputeranlage. Viele der Maschinen aus dem Bereich Hochleistungsrechnen werden für Computerphysik u. a. verwendet. Die Benutzer teilen sich dabei die freie Rechenzeit. Eines der bekanntesten Forschungsnetzwerke in dem Bereich ist das Centre Européen de Calcul Atomique et Moléculaire (CECAM), welches seit 1967 die Entwicklung begleitet.
Computerphysik ist heutzutage Grundbestandteil der modernen Physik.
Die computergestützte Physik untersucht physikalische Probleme, die sich in der Regel zwar mit Gleichungen beschreiben lassen, deren Lösung sich aber nicht direkt in einer geschlossenen Formel berechnen lassen. Solche geschlossenen Lösungen existieren nur für sehr wenige idealisierte Systeme wie z. B. Keplerproblem, Wasserstoffatom oder zweidimensionales Ising-Modell.
Grundlage jeder Simulation ist ein Modell, das die Wirklichkeit im Rahmen gewisser Näherungen beschreibt. Der Computer dient zur Realisierung des modellierten Systems und zur Messung physikalischer Größen sowie zur Bestimmung der Auswirkungen der Modellparameter. Computergestützte Physik umfasst ggf. auch die Anpassung der Soft- und Hardware an das zu lösende Problem.
Das Spektrum der benötigten Rechenressourcen reicht von einigen Millisekunden auf einfachen PCs bis zu monatelangen Rechnungen auf Großrechnern und Supercomputern.
Mathematische Problemtypen
Viele Computersimulationen physikalischer Systeme lassen sich auf die Lösung der folgenden mathematischen Probleme zurückführen:
Aus den oben genannten Bereichen existieren dann Software-Applikationen.
Programmiersprachen
Die bekanntesten Programmiersprachen für physikalische Probleme sind Fortran, C, C++, und mittlerweile auch Python. Bekannte Sprachen, Schnittstellen, oder Software zum parallelisieren sind z. B. OpenMP, Message Passing Interface (MPI) oder das CUDA-Framework, welches die Auslagerung von Rechenoperationen auf GPUs des Herstellers NVIDIA ermöglicht.
Zur Visualisierung, bzw. graphischen Darstellung der Ergebnisse, werden VisIt, VTK, Origin, Gnuplot und viele Andere verwendet.
Zu den bekanntesten Hochsprachen und Software-Werkzeugen werden MATLAB, Maple und Mathematica gezählt.
Ebenfalls existieren kommerzielle Software-Applikationen, wie z. B. von ANSYS oder COMSOL Multiphysics.
Literatur
Lehrbücher
Franz J. Vesely, Computational Physics – An Introduction, Kluwer Academic/Plenum Publishers, New York-London 2001, ISBN 0-306-46631-7
Nicholas J. Giordano, Hisao Nakanishi: Computational Physics. 2. Auflage. Pearson, Upper Saddle River 2006, ISBN 978-0-13-146990-7 (englisch, purdue.edu). (Fortran; Matlab)
Alexander K Hartmann: Big Practical Guide to Computer Simulations. 2. Auflage. WORLD SCIENTIFIC, 2015, ISBN 978-981-4571-76-0, doi:10.1142/9019 (englisch).
Stefan Gerlach: Computerphysik: Einführung, Beispiele und Anwendungen. 2. Auflage. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg 2019, ISBN 978-3-662-59245-8 (290 S.).
Harald Wiedemann: Numerische Physik. Ausgewählte Beispiele der Theoretischen Physik mit C++. 2. Auflage. Springer Spektrum, Berlin 2019, ISBN 978-3-662-58185-8.
↑B. J. Archer: The Los Alamos Computing Facility During the Manhattan Project. In: Nuclear Technology. Band207, sup1, 3. Dezember 2021, ISSN0029-5450, S.S190–S203, doi:10.1080/00295450.2021.1940060 (englisch, tandfonline.com [abgerufen am 22. Juli 2024]).
↑N.S. Scott, A. Hibbert, J. Ballantyne, S. Fritzsche, A.L. Hazel, D.P. Landau, D.W. Walker, Z. Was: CPC’s 50th Anniversary: Celebrating 50 years of open-source software in computational physics. In: Computer Physics Communications. Band252, Juli 2020, S.107269, doi:10.1016/j.cpc.2020.107269 (englisch, elsevier.com [abgerufen am 29. August 2024]).