Der Codex ist eine Papierhandschrift mit 140 Blättern.[1] Die Foliierung des 17. Jahrhunderts zählt die mit Text beschriebenen Blätter 1–135 durch, die Zählung der Blätter 63–66 und 67–135 wurde nachträglich korrigiert. Die Blätter 1* und 2* sind mit moderner Zählung versehen, ebenso die Blätter 136*–138*. Die auffällige Verschmutzung der Blätter 44v (Lagenende) und 45r (Lagenbeginn) könnte darauf hindeuten, dass der Codex längere Zeit nicht gebunden war.
Die Blattgröße der Handschrift beträgt 30,1 × 21 cm, dabei ist ein Schriftraum von 20,5–21,5 × 13–14 cm beschrieben mit 30 bis 35 Zeilen pro Seite. Schriftform ist eine Bastarda von einer Hand, dem Schreiber D der Werkstatt Henfflin, der auch Schreiber von Cod. Pal. germ. 152 war. Die Bildüberschriften sind in roter Farbe ausgeführt; rote Lombarden ziehen sich über drei bis neun Zeilen, darüber hinaus schmücken zahlreiche Cadellen (tintenfarben und rot) die Handschrift. Auf Blatt 93r ist eine Kustode erhalten („9“).
Die Handschrift insgesamt ist beginnendem Tintenfraß ausgesetzt. Der Pergamenteinband wurde in Rom im 17. Jahrhundert ergänzt.
Miniaturen
Die Handschrift ist mit 131 kolorierten Federzeichnungen auf den 135 Text-Blättern reich illustriert; die Miniaturen sind mit einfachen Rahmungen in verschiedenen Farben versehen und nehmen jeweils zwischen einem Drittel und der Hälfte einer Seite ein. Zeichner ist der erstmals von Hans Wegener (1927) so benannte Zeichner A der Werkstatt Henfflin, der, Wegener folgend, mit wenigen Ausnahmen auch Zeichner aller anderen Bilder in den Handschriften der Werkstatt war.[2] Wegener beurteilt die Illustrationen des Zeichners A generell als „recht unbedeutend“ und kritisiert die „affektlose Ruhe der Bilder“ als „steife und leere Eleganz“.[3] Für Cod. Pal. germ. 142 erkennt er aber eine tiefer und reicher gegliederte Landschafts-Darstellung als in den anderen Werken.[4]
Die neuere Forschung des 20. und 21. Jahrhunderts hebt dagegen den unterhaltenden Charakter der Bildfolgen und die Anschaulichkeit der Darstellungen aus der Werkstatt Henfflin hervor, sieht auch das Bemühen um Perspektive gegenüber früheren elsässischen Illustratoren und betont die Richtigkeit der Proportionen bei der Figurendarstellung. Nur die Mimik wird als „weitgehend ausdruckslos“ bezeichnet, häufig zeigen die Gesichter „eine nicht zum Text passende Fröhlichkeit“.[5] Allerdings beabsichtigte der Zeichner offensichtlich auch gar nicht, mit seinen Darstellungen besondere Emotionen über den Text hinaus zu vertiefen; sein „Interesse [...] liegt in der Handlung, nicht in ihrer psychologischen Motivierung.“[6] Besonderheit der Zeichnungen ist deren moderner narrativer Charakter und der Detailreichtum der Darstellungen. Der Illustrator der Werkstatt Henfflin entwarf für die unterschiedlichen literarischen Werke jeweils „Illustrationszyklen“ und bediente sich vielfach des Kunstgriffs der „simultanen Illustration“, indem er aufeinander folgende Situationen einer Geschichte in einer einzigen Darstellung parallel abbildete.[7]
Herkunft
Die Handschrift wurde um 1475 von der Werkstatt des Ludwig Henfflin angefertigt, wahrscheinlich in Stuttgart.[8] Die Schreibsprache ist niederalemannisch mit schwäbischen Formen.
Auftraggeberin war Margarethe von Savoyen (1420–1479), die in dritter Ehe mit Ulrich V. (1413–1480), Graf von Württemberg-Stuttgart, verheiratet war. Das einzige Kind aus ihrer zweiten Ehe mit dem pfälzischen Kurfürsten Ludwig IV. (1424–1449), Kurfürst Philipp von der Pfalz (1448–1508), erbte die Handschrift nach Margaretes Tod 1479. Damit gelangte die Handschrift aus Stuttgart nach Heidelberg und wurde später Teil der Bibliotheca Palatina.
Vermutlich entspricht Cod. Pal. germ. 142 einer Handschrift, die bei der Katalogisierung der älteren Schlossbibliothek 1556/59 verzeichnet wurde mit dem Katalogeintrag: Pontus auf Papir geschrieben mit schonen außgestrichnen figuren. 1.2.12.;[9] bei der Katalogisierung 1581 ist der der Codex dann im Katalog der Heiliggeistbibliothek verzeichnet mit dem Eintrag Ritter Pontus geschriben papir, figuren, bretter, rott leder, bucklen.[10]
Auf Blatt 1r wurde im 16. Jahrhundert als Bibliothekstitel Pontus oberhalb des Schriftraums eingetragen. Die Inhaltsangabe auf dem Vorderspiegel ist ein Eintrag des Bibliothekars Hermann Finke aus dem 20. Jahrhundert; am unteren Rand des Vorderspiegels ist ein kleines Inventarschild der UB-Heidelberg aus dem 19. oder vom Anfang des 20. Jahrhunderts eingeklebt.
Wie die anderen Handschriften der kurfürstlich-pfälzischen Bibliotheken kam der Codex nach der Eroberung der Kurpfalz im Dreißigjährigen Krieg 1622 nach Rom in den Besitz der Vatikanischen Bibliothek und wurde mit den anderen deutschsprachigen Beständen der Palatina im Rahmen der Regelungen während des Wiener Kongresses erst 1816 nach Heidelberg zurückgeführt.[11]
Inhalte
Einziger Inhalt des Codex ist Pontus und Sidonia, ein spätmittelalterlicher Höfischer Roman, der auf den um die Wende zum 15. Jahrhundert in Frankreich entstandenen Prosa-Roman Ponthus et la belle Sidoyne zurückgeht.[12]
Der Titelheld Pontus ist ein Königssohn aus dem Königreich Galicien; dieses wurde von den Mauren erobert, und Pontus verschlägt es mit anderen Kindern des galicischen Adels in das Königreich Britannia (Bretagne). Nach abenteuerlichen Bewährungsproben gelingt es dem idealtypischen Ritter, gegen viele Widerstände die britannische Königstochter Sidonia zu heiraten und schließlich sein Königreich zurückzuerobern.[13]
Die Heidelberger Handschrift Cod. Pal. germ. 142 ist die Bearbeitung einer anonymen Übersetzung ins Frühneuhochdeutsche (Fassung B), geht also nicht auf die populärere, vielfach nachgedruckte Übersetzung Eleonores von Österreich zurück (Fassung A).[14] Allerdings ist die Textredaktion durch die Werkstatt Henfflin in so eigenständiger Weise erfolgt, dass zwar die Abhängigkeit des Textes von der Fassung B erkennbar blieb, dass aber eigentlich eine Neufassung vorliegt, bei der sich als Ziel der Redaktion insgesamt erkennen lässt, dass der Text stark gestrafft wird (v. a. durch Entfernung von Namenslisten und rhetorischen Wiederholungen/Variationen) und dass er kleinteiliger gegliedert wird durch den planvoll strukturierenden Einsatz der Illustrationen. Das Werk wirkt dadurch insgesamt moderner, stärker auf den Ablauf der Handlung ausgerichtet.[15]
Karin Zimmermann: Cod. Pal. germ. 142. ‚Pontus und Sidonia‘. In: Karin Zimmermann (Bearb.), unter Mitwirkung von Sonja Glauch, Matthias Miller, Armin Schlechter: Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg (Cod. Pal. germ. 1–181). Kataloge der Universitätsbibliothek Heidelberg, Band 6. Reichert Verlag, Wiesbaden 2003, ISBN 978-3-89500-152-9, S. 313–314 (Digitalisat).
Ältere Kataloge:
Karl Bartsch: Pontus und Sidonia. Pal. germ. 142. In: Karl Bartsch: Die altdeutschen Handschriften der Universitäts-Bibliothek in Heidelberg. Katalog der Handschriften der Universitätsbibliothek in Heidelberg, Band 1. Verlag von Gustav Koester, Heidelberg 1887, Nr. 84, S. 35 (Digitalisat).
Hans Wegener: Pontus und Sidonia. pal. germ. 142. In: Hans Wegener: Beschreibendes Verzeichnis der deutschen Bilder-Handschriften des späten Mittelalters in der Heidelberger Universitäts-Bibliothek. Verlagsbuchhandlung J. J. Weber, Leipzig 1927, S. 81 (Digitalisat).
Ulrike Spyra, Maria Effinger: Cod. Pal. germ. 142: 'Pontus und Sidonia', Überblick und Auswahl-Bibliografie, Webpräsenz der Universitätsbibliothek Heidelberg, 09/2008.
Anmerkungen
↑Die Angaben in diesem Abschnitt und den Unterabschnitten folgen, wenn nicht anders vermerkt, der Beschreibung von Karin Zimmermann: Cod. Pal. germ. 142. In: Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg (Cod. Pal. germ. 1–181). Wiesbaden 2003, S. 313 (Digitalisat; abgerufen am 12. April 2020).
↑Hans Wegener, Die Werkstatt des Ludwig Hennflin, Beschreibendes Verzeichnis [...], Leipzig 1927, S. 71 (Digitalisat); abgerufen am 15. April 2020. Ausführlich zu den Illustrationen Henrike Lähnemann: Pontus und Sidonia. Literarhistorische Einführung und Beschreibung der Handschrift [Cpg 142] (Online (PDF), Manuscripta Mediaevalia; abgerufen am 17. April 2020). Teil von: Pontus und Sidonia. Farbmikrofiche-Edition der Handschrift Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 142 (=Codices illuminati medii aevi 52). Edition Helga Lengenfelder, München 1999, ISBN 3-89219-052-6, Abschnitt Die Illustrationen, S. 21–25; bei Lähnemann auch vollständiges Verzeichnis der Bildüberschriften (Transkriptionen), S. 32–38.
↑Hans Wegener, Beschreibendes Verzeichnis [...], Leipzig 1927, S. 75–76 (Digitalisat); abgerufen am 15. April 2020.
↑Hans Wegener: Pontus und Sidonia. In: Beschreibendes Verzeichnis ..., Leipzig 1927, S. 81 (Digitalisat; abgerufen am 15. April 2020).
↑Henrike Lähnemann: Pontus und Sidonia. Literarhistorische Einführung und Beschreibung der Handschrift [Cpg 142] (Online (PDF), Manuscripta Mediaevalia). Teil von: Pontus und Sidonia. Farbmikrofiche-Edition der Handschrift Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 142 (=Codices illuminati medii aevi 52). Edition Helga Lengenfelder, München 1999, ISBN 3-89219-052-6, S. 22.
↑Die Angaben in diesem Abschnitt folgen, wenn nicht anders vermerkt, der Beschreibung von Karin Zimmermann: Cod. Pal. germ. 142. In: Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg (Cod. Pal. germ. 1–181). Wiesbaden 2003, S. 313 (Digitalisat; abgerufen am 12. April 2020).
↑Historischer Überblick auf der Website der UB Heidelberg: Die Bibliotheca Palatina – Schicksale einer weltberühmten Bibliothek; abgerufen am 15. April 2020. Ausführliche Darstellung mit weiterführenden Hinweisen von Karin Zimmermann in: Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg (Cod. Pal. germ. 1–181). Wiesbaden 2003, Einleitung, S. XI–XXVIII (Digitalisat; abgerufen am 11. April 2020).
↑Die Angaben in diesem Abschnitt folgen, wenn nicht anders vermerkt, der Beschreibung von Karin Zimmermann: Cod. Pal. germ. 142. In: Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg (Cod. Pal. germ. 1–181). Wiesbaden 2003, S. 314 (Digitalisat; abgerufen am 12. April 2020).
↑Kurzüberblick bei Spyra/Effinger: Cod. Pal. germ. 142: 'Pontus und Sidonia', Abschnitt Der Inhalt, Webpräsenz der Universitätsbibliothek Heidelberg, 09/2008; abgerufen am 15. April 2020. Der Inhalt aller Fassungen sowohl im Französischen als auch in den Übersetzungen ist weitgehend gleich; einen ausführlichen Inhaltsüberblick gibt Henrike Lähnemann: Pontus und Sidonia. Literarhistorische Einführung und Beschreibung der Handschrift [Cpg 142] (Online (PDF), Manuscripta Mediaevalia; abgerufen am 15. April 2020). Teil von: Pontus und Sidonia. Farbmikrofiche-Edition der Handschrift Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 142 (=Codices illuminati medii aevi 52). Edition Helga Lengenfelder, München 1999, ISBN 3-89219-052-6, S. 7–9.
↑Henrike Lähnemann: Pontus und Sidonia. Literarhistorische Einführung und Beschreibung der Handschrift [Cpg 142] (Online (PDF), Manuscripta Mediaevalia). Teil von: Pontus und Sidonia. Farbmikrofiche-Edition der Handschrift Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 142 (=Codices illuminati medii aevi 52). Edition Helga Lengenfelder, München 1999, ISBN 3-89219-052-6, S. 13–20.
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