Chantal Akerman war die Tochter jüdischer Holocaust-Überlebender aus Polen, über die sie auch filmisch reflektierte. Ein Studium an der belgischen Filmhochschule brach Akerman 1967 nach wenigen Monaten ab.[1] 1968 studierte sie Theaterwissenschaft in Paris und trat daneben mit Kurz- und Experimentalfilmen an die Öffentlichkeit. Ihre folgenden Filme waren vorwiegend Frauenporträts oder hatten feministische Themen zum Gegenstand. Dabei distanzierte sich Akerman anfangs auch in der Bildsprache und Technik radikal vom üblichen unterhaltenden Erzählkino.
Internationale Anerkennung erlangte sie 1975 mit dem Film Jeanne Dielman.[2]
In ihren späteren Filmen gab sie diese Radikalität mehr und mehr zugunsten einer konventionelleren Struktur und Erzählweise auf. Ihr gesamtes Œuvre beläuft sich auf über vierzig Kurz- und Langfilme, in denen Dokumentarisches und Fiktion, Komisches und Tragisches, Selbsterfahrung und Fremderkundung mit einer eigentümlich sanften Rigorosität behandelt werden.
Homosexualität ist ein wiederkehrendes Element in Akermans Werk, auch wenn sie sich gegen die Reduktion auf Teilaspekte ihrer Identität wehrte. Mit der Cellistin Sonia Wieder-Atherton hatte Akerman eine langjährige Beziehung.[3][4]
Chantal Akerman starb am 5. Oktober 2015 im Alter von 65 Jahren in Paris durch Suizid.[5]
Filmografie (Auswahl)
1968: Saute ma ville
1971: L’Enfant aimé ou Je joue à être une femme mariée
Vinzenz Hediger ordnet Akerman als bedeutendste Regisseurin der Filmgeschichte ein.[8]
Im Mai 2019 widmete die Filmzeitschrift Camera Obscura ihre 100. Ausgabe dem Werk von Chantal Akerman. Darin bezeichnete Patricia White den Film Ich, du, er, sie (Je tu il elle) als „Meilenstein in der Geschichte der filmischen Darstellung lesbischer Liebe“.[9]
Im Oktober 2020 erhielt der von Bäumen gesäumte Mittelstreifen der Rue Sorbier im 20. Arrondissement von Paris den ihrem Andenken gewidmeten Namen Allée Chantal Akerman.[10]
Im Jahr 2022 gewann ihr Spielfilm Jeanne Dielman die alle zehn Jahre stattfindende Umfrage der vom British Film Institute (bfi) herausgegebenen Zeitschrift Sight & Sound zu den besten Filmen aller Zeiten. Es war das erste Mal, dass das Werk einer Regisseurin den ersten Platz belegte.[11]
Andreas Jacke: Écriture féminine im internationalen Film: Margarethe von Trotta, Claire Denis, Chantal Akerman und Sofia Coppola. Psychosozial-Verlag, Gießen 2022, ISBN 978-3-8379-7837-7.
Texte zu einzelnen Filmen
Jörg Becker: Eine ganze Nacht. In: Filmkritik Nr. 318 vom Juni 1983. S. 283–285.
Frieda Grafe: Die drei Fs der jüdischen Hausfrau - Chantal Akerman: Histoires d’Amérique. Erstveröffentlichung in: Süddeutsche Zeitung vom 8. Februar 1990. In: Film für Film (= Ausgewählte Schriften in Einzelbänden, 9. Band). Brinkmann & Bose, Berlin 2006. ISBN 3-922660-95-9. S. 249–251.