Die Mutter Bruno H. Bürgels, die Näherin Luise Emilie Sommer, verstarb bereits 1884. Da sich sein Vater, der Archäologe Adolf Trendelenburg, nicht zu seinem Sohn bekennen wollte, wurde das Kind von dem Schuhmacher Gustav Bürgel und dessen Frau adoptiert. Ab 1886 lebten die Bürgels in Weißensee bei Berlin. 1889 begann Bürgel eine Schuhmacherlehre in der Werkstatt seines Adoptiv-Vaters. Er wurde dann aber Steindrucker und später Fabrikarbeiter. 1895 verlor er seinen Arbeitsplatz.
Trotz wirtschaftlicher Not erarbeitete sich Bürgel ein umfangreiches naturwissenschaftliches Wissen. Sein besonderes Interesse galt der Astronomie. So gelang es ihm, eine Stelle als Beobachter an der Urania-Sternwarte zu erhalten, deren Direktor damals der bekannte Astronom Max Wilhelm Meyer war. Auch hier vervollständigte Bürgel seine Kenntnisse.[1]
Ein erster Artikel in einer russischen Zeitschrift, ein weiterer im Vorwärts, wo Wilhelm Liebknecht Redakteur war, zeigten bald das schriftstellerische Talent Bruno H. Bürgels. 1899 wurde Bürgel freiberuflicher Schriftsteller. In den Jahren 1903 und 1904 konnte Bürgel auf Empfehlung Wilhelm Foersters Vorlesungen an der Berliner Universität besuchen. Gleichzeitig war er Mitarbeiter verschiedener Verlage. Sein erstes Buch: Aus fernen Welten erschien 1910 und wurde ein großer Erfolg.
Den Ersten Weltkrieg verbrachte Bürgel als Melder an der Westfront. Im Jahr 1919 erschien sein zweites wichtiges Buch: Vom Arbeiter zum Astronomen. Bürgel war als Sozialist gegen den von der Oktoberrevolution in Russland ausgehenden Terror und befürchtete dessen Übergreifen auf Deutschland.
In den folgenden Jahren erreichte die Popularität Bürgels ihren Höhepunkt. Dabei dehnte er seinen Arbeitsbereich von der Astronomie auf andere Naturwissenschaften, aber auch auf Philosophie, Geschichte und Pädagogik aus. Sein Märchen vom Doktor Ulebuhle, einem kauzigen alten Gelehrten, dessen Haus mit geheimnisvollen Gegenständen eingerichtet ist, war in den 1920er Jahren ein großer Erfolg. Neben vielen Büchern verfasste er Artikel für verschiedene Zeitschriften, hielt Vorträge und sprach im damals aufkommenden Rundfunk. Seine Arbeit fiel auf fruchtbaren Boden. Wie andere Wissenschaftler dieser Zeit sprach er auf Veranstaltungen der damals beliebten Arbeiterbildungsvereine, wo er sich als Sozialdemokrat zuhause fühlte. Er war mit vielen bedeutenden Persönlichkeiten bekannt. Eng befreundet war er zum Beispiel mit dem Schriftsteller Ehm Welk, der ihm zu einigen seiner Bücher Anregungen gab.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurden einige seiner Publikationen Opfer der Zensur. Mit dem Einmarsch der Roten Armee 1945 befürchtete Bürgel wie viele Deutsche die Rache der Sieger. Der von der sowjetischen Militäradministration umgehend angeordnete Schutz seiner Person und seines Eigentums vermittelten ihm die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Er setzte nach dem Zweiten Weltkrieg seine Tätigkeit als Wissenschaftspublizist fort und war Mitbegründer des Kulturbundes. Eine Professur an der Humboldt-Universität zu Berlin, die ihm angeboten wurde, lehnte er ab. Er war bis zu seinem Tode im Jahr 1948 publizistisch aktiv.
Gedenkstätte und Nachlass
Zum URANIA-Planetarium Potsdam gehört seit 1970 die Bruno-H.-Bürgel-Gedenkstätte.[2][3][4] Sie entstand 1955 in Potsdam-Babelsberg, kam 1970 zum Astronomischen Zentrum „Bruno H. Bürgel“ im Neuen Garten, das sich seit der Übernahme durch den URANIA-Verein „Wilhelm Foerster“ Potsdam e. V. 2001 URANIA-Planetarium mit Bruno-H.-Bürgel-Gedenkstätte nennt und seit 2007 im Holländischen Viertel Potsdam, Gutenbergstraße 71/72 zu finden ist. Zur Gedenkstätte gehören Ausstellung und Archiv.
Der frühere Leiter des Planetariums (1973–1988) Arnold Zenkert machte sich als Bürgel-Spezialist um die Erhaltung und Aufarbeitung des Nachlasses verdient. Zum Nachlass gehören das Arbeitszimmer Bürgels mit der Bibliothek (1820 Bände), darunter Ausgaben seiner Werke in Englisch, Niederländisch, Spanisch, Tschechisch, Russisch und Bulgarisch, weiterhin Dokumente, Manuskripte, Fotos, Illustrationen, Zeichnungen, Karikaturen, Urkunden, über 3300 Schreiben und 200 Fotos, 2425 Beiträge für Zeitschriften und Zeitungen, astronomische Beobachtungsinstrumente Bürgels und anderes. Eine Schenkung im Januar 1988 durch Charlotte Rüfers, geb. Endemann, aus Singen vergrößerte den Bestand beträchtlich.
Der Nachlass wird in mehreren Veröffentlichungen beschrieben.[5][6][7][8]
Vom Arbeiter zum Astronomen – Die Lebensgeschichte eines Arbeiters. Ullstein Verlag. Berlin 1919, DNB572557906
Aus fernen Welten – Eine volkstümliche Himmelskunde. Ullstein, Berlin 1920, DNB572557981
Die seltsamen Geschichten des Doktor Ulebuhle – Ein Jugend- und Volksbuch. Ullstein, Berlin 1920, DNB572557752
Du und das Weltall. Dürr & Weber, Berlin 1920, DNB578995727
Der „Stern von Afrika“ : Eine Reise ins Weltall. Ullstein, Berlin 1921, DNB57255785X
Gespenster – Ein spiritistischer Roman. Ullstein, Berlin 1921, DNB572803761
Menschen untereinander – Ein Führer auf der Pilgerreise des Lebens. Ullstein, Berlin 1922, DNB57280377X
Die Zeit ohne Seele – Ethik im Alltag. Dürr & Weber, Leipzig 1922, DNB578995786
Im Garten Gottes – Wandertage und Plauderstunden eines Naturfreundes. Ullstein, Berlin 1922, DNB572803753
Weltall und Weltgefühl. Ullstein, Berlin 1925, DNB57280380X
Die Weltanschauung des modernen Menschen. Ullstein, Berlin 1932, DNB572557949 (spätere Auflagen unter dem Titel: Das Weltbild des modernen Menschen)
Die kleinen Freuden – Ein besinnliches Buch vom Glück im Alltag. Ullstein, Berlin 1934, DNB572557698
Sterne über den Gassen. Ullstein, Berlin 1936, DNB572557892
Das Weltbild des modernen Menschen – Das All, Die Erde, Der Mensch, Der Sinn des Lebens. Ullstein, Berlin 1937, DNB572557957
Hundert Tage Sonnenschein – Ein Buch vom Sonntag und Alltag des Lebens. Deutscher Verlag, Berlin 1940, DNB572557825
Vom täglichen Ärger – Ein Lesebuch für Zornige, Eilige, Huschelpeter und lächelnde Philosophen. Reclam-Verlag, Leipzig 1941, DNB578995700
Saat und Ernte – Betrachtungen über Leben und Tod. Deutscher Verlag, Berlin 1942, DNB572557817 (spätere Auflagen unter dem Titel: Anfang und Ende – Das Buch vom Leben und vom Tode. Aufbau-Verlag Berlin 1947)
Der Weg der Menschheit. Morgner, Halle 1946, DNB572557930
Der Mensch und die Sterne. Aufbau-Verlag, Berlin 1946, DNB450687155
Die Fackelträger – Ein der jungen Generation gewidmetes Buch vom Aufstieg und Fortschritt der Menschheit. Hammer-Verlag, Berlin 1947, DNB952249642
Pilgerreise durch das liebe Leben : Eine Auswahl aus seinen Büchern. Deutscher Verlag, Berlin 1948, DNB450686949
Ehrungen
Zum 80. Geburtstag Bürgels im November 1955 erfolgte die Eröffnung der Bürgel-Gedenkstätte in Potsdam-Babelsberg im Haus Merkurstraße 10, wo Bürgel 1927 bis 1948 gelebt hatte. Heute (2020) gehört sie neu konzipiert und gestaltet zum URANIA-Planetarium Potsdam.
Im Vorraum des URANIA-Planetariums Potsdam steht eine Büste Bürgels.
Im Jahr 1999 wurde der Asteroid (10100) Bürgel nach ihm benannt.
„Das Genie ist ja seiner Zeit immer weit voraus, wird daher niemals von der Masse seiner Mitlebenden verstanden werden. Später, nach hundert Jahren werden dann den Gekreuzigten, Verbrannten und Verbannten Standbilder errichtet und kümmerliche Bierbäuche halten davor an Jubiläumstagen Festreden.“
„Und wäre der Mensch im praktischen Denken noch so weit vorgeschritten, er wäre seiner Kultur unwürdig, wenn er nichts über die Rätsel zu sagen wüsste, die ihm allabendlich das gestirnte Firmament aufgibt. Wer nie seine Augen zum Sternhimmel richtete, sei es aus Bewunderung oder aus Wissbegier, dem fehlt ein wichtiges Glied in der Kette, die ihn mit seiner Umwelt verbindet.“
„Drei Dinge waren es vor allem, die mir auffielen, die mir immer wieder Anlass zum Nachdenken gaben: Die Menschen waren in ihren Erkenntnissen viel weiter voran als in der Auswirkung dieser Erkenntnisse in der Praxis des täglichen Lebens! Nicht der Klügste regierte, sondern der Reichste! Zwischen Wissen und Herzensbildung bestand selten ein Zusammenhang. Gelehrte Leute waren oft unvornehme Leute! Man kann von ungebildeten Gelehrten sprechen!“[13]
„Die Herren in Salon haben seit jeher unterschätzt, was die Diener in der Gesindestube denken.“[14]
Andreas W. Daum: Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit, 1848–1914. 2., erg. Aufl., Oldenbourg, München 2002, ISBN 978-3-486-56551-5.
Herausgeber: Luise Wörner, Peter Nell, Johannes Deutsch, Wolfgang Tripmacker: Bruno H. Bürgel zum Gedenken, Potsdam 1957
Arnold Zenkert: Ich habe sie mit Rührung gelesen … Der Briefwechsel zwischen Bruno H. Bürgel und Kasimir Romuald Graff. In: Die Sterne 72 (1996) 1, 1–13.
Arnold Zenkert: Die beste volkstümliche Himmelskunde. Zum 50. Todestag Bruno H. Bürgels am 8. Juli 1998. In: SuW 37 (1998) 7, 670–671.
Arnold Zenkert: Zwei Ehrungen für Bruno H. Bürgel. In: Beiträge zur Astronomiegeschichte, Bd. 4. Hrsg. v. Wolfgang R. Dick u. Jürgen Hamel. (Acta Historica Astronomiae; 13). Frankfurt am Main 2001, S. 186–199.
Arnold Zenkert: Seid nicht „gerecht“ sondern gütig! – Beiträge von und über Bruno H. Bürgel. Schibri-Vlg, Taschenbuch, ISBN 3-928878-45-X.
↑Andreas W. Daum: Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit, 1848–1914. Oldenbourg, München 2002, S.182, 479.
↑Arnold Zenkert: Die Bürgel-Gedenkstätte Potsdam. In: EMA 57 (Memento vom 6. März 2021 im Internet Archive). ELEKTRONISCHE MITTEILUNGEN ZUR ASTRONOMIEGESCHICHTE. Arbeitskreis Astronomiegeschichte in der Astronomischen Gesellschaft (Hrsg.), Nr. 57 vom 22. Juni 2001, Redaktion: Wolfgang R. Dick, Item 1.
↑Erhart Hohenstein: Potsdam Bürgel wird wieder gedacht, Gedenkstätte für den Volksastronomen und Menschenfreund gestern neu eröffnet. In: Potsdamer Neueste Nachrichten vom 21. Juni 2007.