Das Blutbild (Hämogramm, Hämatogramm) ist in der Medizin eine standardisierte Zusammenstellung wichtiger Befunde aus einer Blutprobe. Es gibt einen Überblick über die im Blut enthaltenen zellulären Bestandteile. Es enthält Daten sowohl zur Quantität zellulärer Blutbestandteile als auch zu deren Morphologie (äußeren Form).
Es wird bei der Blutuntersuchung zwischen dem kleinen und dem großen Blutbild unterschieden.
Blutbild-Untersuchungen erfolgen im Allgemeinen aus EDTA-Blut.
Die zellulären Blutbestandteile sind rote Blutzellen (Erythrozyten), weiße Blutzellen (Leukozyten) und Thrombozyten (Blutplättchen, ältere Bezeichnung nach Schilling). Normalerweise besteht das menschliche Blut etwa zu 43 bis 50 % (Männer) bzw. zu 37 bis 45 % (Frauen) aus Blutzellen. Der Anteil der zellulären Bestandteile am Gesamtvolumen der Probe wird als Hämatokrit bezeichnet. Die nach Abtrennung zellulärer Bestandteile (z. B. durch Zentrifugation) übrigbleibende Blutflüssigkeit ist das Blutplasma, das Elektrolyte, Gerinnungsfaktoren und andere Plasmaproteine enthält. Lässt man Blut eine Weile stehen, dann setzt eine Gerinnungsreaktion ein, die Gerinnungsfaktoren werden aktiviert und bilden zusammen mit den zellulären Bestandteilen (insbesondere den Thrombozyten) ein Gerinnsel (Thrombus). Der Überstand besteht aus Plasma ohne Gerinnungsfaktoren und heißt dann Blutserum.
Folgende Angaben bieten Anhaltswerte für Erwachsene.[3] Anhaltswerte für Kinder, insbesondere für Säuglinge, weichen teilweise deutlich hiervon ab.[4] Weitere Blutwerte sind eher typisch für Blutuntersuchungen.
Rote Blutkörperchen (Erythrozyten) transportieren Sauerstoff zu Organen. Erhöht bei Sauerstoffknappheit, Stress, Flüssigkeitsmangel. Vermindert bei Blutarmut (Anämie) oder Blutverlust. Blutarmut kann durch Eisenmangel entstehen (Eisenmangelanämie). Referenzbereich ist höher bei Thalassämie.
Volumenanteil der roten Blutkörperchen am Gesamtblut. Erhöht bei Vermehrung der Erythrozyten, Flüssigkeitsverlust, bei Rauchern. Vermindert bei Blutarmut/-verlust, Schwangerschaft.
Durchschnittliche Hämoglobin-Menge pro Erythrozyt. Dieser Parameter dient ebenfalls der Differenzierung von Anämien. (MCH = Hämoglobin/Erythrozytenzahl).
Vorläuferzellen der Erythrozyten. Im Normalfall sollten nur wenige Retikulozyten im Blut nachweisbar sein. Eine Erhöhung spricht für eine verstärkte Blutneubildung (z. B. nach einem größeren Blutverlust).
Erhöhte Werte sind ein Hinweis auf das Vorliegen verschiedener Anämieformen.
„Großes“ Blutbild
Das große Blutbild umfasst zusätzlich zum kleinen Blutbild, das lediglich die Gesamtleukozytenzahl enthält, das Differentialblutbild. Das ist eine genaue Aufschlüsselung, aus welchen Untergruppen sich die Leukozyten (weiße Blutzellen) zusammensetzen. Dieses Differentialblutbild kann maschinell oder manuell, d. h. mikroskopisch erstellt werden. Durch mikroskopische Auszählung eines Blutausstrichs oder mit Hilfe automatisierter Zählgeräte wie dem Coulter-Zähler werden die prozentualen Anteile der einzelnen Blutzelltypen bestimmt. Die mikroskopische Auszählung ist aufwändiger und quantitativ weniger präzise, aber häufig zur abschließenden qualitativen Bewertung unerlässlich. So können pathogene Zellformen wie etwa atypische Lymphozyten (Virozyten) maschinell oft nicht richtig zugeordnet werden und diagnostisch relevante Informationen gehen so verloren. Die Form der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) wird mit einem Blutausstrich beurteilt.
Störungen des Blutbildes
Die verschiedensten gesundheitlichen Umstände können zu einem auffälligen Blutbild führen.
Quantitative Veränderungen
Abweichungen der Retikulozytenanzahl
Auch wenn der Anteil der Retikulozyten in der Routine normalerweise nicht mitbestimmt wird, ist er ein wichtiges Maß für die Erythrozytenneubildung im Knochenmark. Der hier gemessene Wert lässt unterscheiden, ob es sich um eine Umsatzstörung, bei der der Retikulozytenanteil erhöht ist, oder um eine Bildungsstörung, bei der der Retikulozytenanteil normal bzw. erniedrigt ist, handelt.
Störungen der Erythrozyten
Erscheinungsbild im Blutausstrich und dessen Bedeutung bzw. Vorkommen:
Makrozyt: Durchmesser > 10 μm, erhöhtes Volumen, aber normale Form; bei Alkoholismus
Echinozyt (Stechapfelzelle): deformierte, runde Erythrozyten mit dornartigen Zellausläufern
Targetzelle (Schießscheibenzelle): Erythrozyt mit abnormer Farbverteilung (Hämoglobin im Zentrum und ringförmig am Rand); bei Thalassämie, hämolytischer Anämie, schwerer Eisenmangelanämie
Anisozytose: ungleiche Größenverteilung von normalerweise gleich großen Zellen; bei Anämien
Anulozyt: ringförmige Erythrozyten mit niedrigem Hämoglobingehalt und der dadurch entstehenden Abblassung; bei Eisenmangelanämie
Basophile Tüpfelung: punktartig verteilte basophile Substanz (dunkle Tüpflung) in den Erythrozyten und eine gesteigerte Erythropoese; bei Bleivergiftung und Thalassämie
Dakrozyt: Tränentropfenform; bei Osteomyelosklerose
Heinz-Innenkörperchen: degeneriertes, intrazelluläres Hämoglobin, welches nur nach Sonderfärbung sichtbar wird; bei toxischer, hämolytischer Anämie, Methämoglobinämie, G6P-DH-Mangel
Polychromasie: Anfärbbarkeit krankhaft veränderter oder nicht ausgereifter Erythrozyten mit sauren und basischen Farbstoffen (übliche Färbung nach Pappenheim = May-Grünwald- + Giemsa-Färbung)
Thalassämie und andere die Erythrozyten betreffende genetische Defekte: führen zu deformierten/kleineren/größeren Erythrozyten.
Zelleinschlüsse: Einschlüsse, wie Cabot-Ringe oder basophile Tüpfelung
Störungen der Thrombozyten
Thrombanisozytose – verschieden große Thrombozyten (= erhöhte Verteilungsbreite des Thrombozytenvolumens)
↑Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 57.
↑Viktor Schilling: Einst und jetzt: Über die geschichtliche Entwicklung der Lehre von der Anaemia perniciosa Biermer. In: Münchener Medizinische Wochenschrift. Band 95, Nr. 1, 2. Januar 1953, S. 79–85, hier: S. 80.
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