Die Biolinguistik versteht sich als ein interdisziplinäres Forschungsgebiet, in dem die Verbindung zwischen Biologie und Linguistik im Mittelpunkt steht.[1] Genutzt werden insbesondere Erkenntnisse aus den Kognitionswissenschaften und der Ethologie, der Neurobiologie und der Genetik, der Anthropologie, vergleichenden Psychologie und der theoretischen Linguistik, um die Evolution menschlicher Sprache zu verstehen.[2] Die Sprachfähigkeit des Menschen wird „als biologische Eigenschaft aufgefasst, die es – ähnlich wie andere biologische Eigenschaften – mit Hilfe der biologischen Methoden zu untersuchen gilt.“[3]
Das Forschungsgebiet Biolinguistik geht zurück auf Eric Heinz Lenneberg,[4] der 1967 in seinem Buch Biological Foundations of Language als Gegenpol zu sprachphilosophischen Methoden die Ansicht vertrat, Sprache sei eine biologische Eigenschaft,[5] ferner auf linguistische Vorarbeiten von Noam Chomsky.[6] Eine fundamentale Frage in diesem Kontext ist, welche Aspekte von Sprache ausschließlich beim Menschen vorkommen, welche homologen Merkmale man auch in den Lautäußerungen von Tieren findet und welche Gene für etwaige Gemeinsamkeiten verantwortlich sind. Das biolinguistische Programm erhebt hierbei den Anspruch – im Unterschied zur geisteswissenschaftlich ausgerichteten Linguistik – mit Hilfe naturwissenschaftlicher Methoden überprüfbar zu sein.
Für das Fachgebiet wird seit 2007 die Open-Access-Zeitschriftbiolinguistics herausgegeben, eine peer-reviewteFachzeitschrift für theoretische Linguistik und mit einem Schwerpunkt für die biologischen Grundlagen der menschlichen Sprache.[7] Zugleich entstand 2007 das Biolinguistics Network, ein Zusammenschluss von Experten zur Förderung der biolinguistischen Forschung.[8][9]
Literatur
Cedric Boeckx: Biolinguistics: forays into human cognitive biology. In: Journal of Anthropological Sciences. Band 91, 2013, S. 63–89, doi:10.4436/JASS.91009, Volltext (PDF).
Robert C. Berwick und Noam Chomsky: Why Only Us. Language and Evolution. MIT Press, 2015, ISBN 978-0-26203424-1.
Ute Kreisel-Korz: Affen und Sprache: Studien zur Biolinguistik. Peter Lang, Frankfurt am Main 1998, ISBN 978-3-63133093-7.
Lyle Jenkins: Biolinguistics: Exploring the biology of language. Cambridge University Press, New York 2000, ISBN 978-0521652339.
Philip Lieberman: The biology and evolution of language. Revidierte Auflage. Harvard University Press, Cambridge 1987, ISBN 978-0-67407413-2.
Beate Marquardt: Die Sprache des Menschen und ihre biologischen Voraussetzungen. G. Narr, Tübingen 1984.
Pedro Tiago Martins und Cedric Boeckx: What we talk about when we talk about biolinguistics. In: Linguistics Vanguard. Band 2, Nr., 2016, doi:10.1515/lingvan-2016-0007.
Andreas Trotzke: Sprachevolution: Eine Einführung. De Gruyter, 2017, ISBN 978-3-11051561-9.
Wu Jieqiong: An Overview of Researches on Biolinguistics. In: Canadian Social Science. Band 10, Nr. 1, 2014, S. 171–176, Volltext (PDF).
↑Cedric Boeckx und Kleanthes K. Grohmann: The Biolinguistics Menifesto. In: biolinguistics. Band 1, 2007, S. 1–8, Volltext. (Memento vom 11. April 2018 im Internet Archive)
↑Antonia Rothmayr: Linguistik für die Kognitionswissenschaft. Eine interdisziplinäre Ergänzung zur Einführung in die Sprachwissenschaft. Narr Francke Attempo Verlag, Tübingen 2016, S. 20, ISBN 978-3-8233-8000-9
↑W. Tecumseh Fitch: What Would Lenneberg Think? Biolinguistics in the Third Millennium. In: biolinguistics. Band 11, 2017, S. 445–461, Volltext. (Memento vom 13. November 2021 im Internet Archive)
↑Anna Maria Di Sciullo: The Biolinguistics Network. In: biolinguistics. Band 4, Nr. 1, 2010, Volltext. (Memento vom 24. September 2021 im Internet Archive)