Bernhard Christoph Ludwig Natorp (* 12. November1774 in Werden; † 8. Februar1846 in Münster) war ein deutscher Pädagoge, evangelischer Geistlicher und liberaler Schulverwaltungsbeamter in Preußen.
Natorp war ein Sohn des lutherischen Pfarrers Johann Heinrich Bernhard Natorp. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Wesel studierte er von 1792 bis 1794 an der Friedrichs-Universität HalleEvangelische Theologie. 1794 wurde er Mitglied des Corps Guestphalia Halle.[1] Einer kurzen Anstellung als Lehrer folgte 1796 der Antritt einer Pfarrstelle in Hückeswagen. 1798 wechselte er in die lutherische Gemeinde in Essen.
Durch sein auf die Reform der Schulen gerichtetes Engagement und erste pädagogische Schriften hatte sich Natorp bereits als Prediger den Ruf eines Schulexperten erworben. 1804 wurde ihm das Kommissariat über den Bochumer Schulkreis übertragen. Wilhelm von Humboldt berief ihn 1809 aus Essen als Oberkonsistorial- und Schulrat in die Regierung der Mark Brandenburg. In Potsdam war er zugleich beratendes Mitglied der neu geschaffenen Sektion für den Kultus und öffentlichen Unterricht. In den Jahren der Preußischen Reformen arbeitete er im Auftrag von Johann Wilhelm Süvern die das Elementarschulwesen betreffenden Teile des preußischen Schulgesetzentwurfs von 1819 aus. Zur selben Zeit reorganisierte er unter den Bedingungen enormer Finanzknappheit die Elementarschullehrerbildung der Kurmark und späteren Provinz Brandenburg. Erfolg hatte hierbei besonders die Einrichtung eines landesweiten Netzes von Schullehrerkonferenzgesellschaften.
Bei der Errichtung eines Oberkonsistoriums für die Provinz Westfalen in Münster im Jahr 1816 wurde Natorp zum Oberkonsistorial- und Schulrat berufen und hatte zugleich die zweite Pfarrstelle in der evangelischen Gemeinde in Münster inne. Bei der ersten gesamtwestfälischen Synode in Lippstadt amtierte er als Präses. In den Jahren der Restauration gehörte er zu jenen liberalen Verwaltungsbeamten, die dafür sorgten, dass die restaurativen Tendenzen nie ungebrochen die Schulrealität erreichten. 1836 erhielt er zusätzlich zu seinen sonstigen Aufgaben das Amt des Vizegeneralsuperintendenten der Kirchenprovinz Westfalen.
Aus Natorps 1796 geschlossenen Ehe mit Christiane Heintzmann (1771–1847) aus Wetter gingen sechs Kinder hervor, von denen Gustav Ludwig Natorp (1797–1864, der Großvater von Paul Natorp) und Alfred Reinhold Natorp (1806–1885) ebenfalls Pfarrer wurden. Die Tochter Mathilde Charlotte (1800–1871) heiratete 1821 den Pfarrer Johann Heinrich Jakob Nonne (1789–1856).[2]
Natorp tritt in seinen Werken als Eklektizistaufgeklärter und neuhumanistischer Denker auf. Er gilt nicht nur als Verfechter einer für die Zeit anspruchsvollen seminaristischen Volksschullehrerbildung, sondern auch als ein „Wegbereiter der Musikdidaktik“ (Weyer). 1830 wurde er von der Universität Bonn mit der theologischen Ehrendoktorwürde ausgezeichnet.
Predigten und Reden an Festtagen und bey besonderen Gelegenheiten. Schreiner, Düsseldorf 1803. Digitalisierte Ausgabe
Grundriß zur Organisation allgemeiner Stadtschulen (1804).
Briefwechsel einiger Schullehrer und Schulfreunde, Band 1–3 (1811, 1813, 1816).
Anleitung zur Unterweisung für Lehrer in Volksschulen (1813).
Andreas Bell und Joseph Lancester. Bemerkungen über die von denselben eingeführte Schuleinrichtung, Schulzucht und Lehrart (1817).
Literatur
Balster: B.C.L. Natorp in seinem Leben und Wirken, namentlich als Schulmann, Essen 1848.
Albert Natorp: Unsere Choräle : eine Festschrift zur Gedächtnissfeier des hundertjährigen Geburtstages ... B. C. L. Natorp. - Düsseldorf : Selbstverl. [u. a.], 1875. Digitalisierte Ausgabe
Friedrich Wilhelm Bauks: Die evangelischen Pfarrer in Westfalen von der Reformation bis 1945, (= Beiträge zur Westfälischen Kirchengeschichte, Bd. 4), Bielefeld 1980 (PDF-Datei), Nr. 4391.
Karl-Ernst Jeismann: Christoph Bernhard [sic] Ludwig Natorp. In: Westfälische Lebensbilder. Herausgegeben von Robert Stupperich. Münster 1990, S. 108–134.
Reinhold Weyer: Bernhard Christoph Ludwig Natorp. Ein Wegbereiter der Musikdidaktik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Frankfurt am Main u. a. 1995.
Hanno Schmitt, Frank Tosch (Hrsg.): Erziehungsreform und Gesellschaftsinitiative in Preußen 1798-1840, Berlin 1999.