Beatrice Fock war das dritte und jüngste Kind des holländischen Kaufmanns Anton Fock und seiner deutschen Ehefrau Magdalena Catharina Amanda Augusta geb. Kempf. Zur Familie gehörten die beiden älteren Brüder Paul (* 1885) und Jacob (* 1887). Sie wohnten zunächst in Amsterdam in der Keizersgracht. Paul zog im September 1910 nach Berlin, Jacob im Oktober 1910 nach Paris. Beatrice zog im Januar 1912 mit ihren Eltern nach München[1] und verbrachte ihre Kindheit im Münchner Stadtteil Bogenhausen in der Möhlstraße 19.[3]
Schon während der Studienzeit wurden einige ihrer Zeichnungen im Simplicissimus veröffentlicht. In der Zeit vom 14. Januar 1919 bis zum 25. Februar 1919 erschienen in vier Ausgaben dieses Satiremagazins insgesamt fünf Illustrationen mit der Angabe Gezeichnet von B. Fock. In vier weiteren Ausgaben, die vom 8. April 1919 bis zum 9. September 1919 erschienen, wurde der Name der Zeichnerin mit Beatrice Fock angegeben.[6] Damit gehörte sie neben Käthe Kollwitz, deren Zeichnungen bereits in der Zeit von November 1908 bis Januar 1911 im Simplicissimus erschienen waren, und Kasia von Szadurska, die von März bis September 1919 drei Zeichnungen veröffentlichen konnte, zu den ersten Frauen, die für den Simplicissimus arbeiteten.[7]
Ebenfalls im Jahr 1919 erschien im Musarion Verlag München das Kinderbuch Bienchen von Anatole France. Für dieses Buch schuf sie 14 farbige Steinzeichnungen, die unter dem Namen Bea Fock veröffentlicht wurden. Diesen verkürzten Mädchennamen verwendete sie bereits 1913 bei einem Eintrag in ein Poesiealbum für eine Freundin.
Auch das Buch Die Venus von Ille von Prosper Mérimée erschien 1920 mit dem Hinweis auf Zeichnungen von Bea Fock im Hyperion-Verlag München.[8]
1920 heiratete sie den Journalisten, Schriftsteller und Theaterkritiker Hanns Braun.[5] 1921 wurde ihr Sohn Erik geboren. 1924 wurde ihre Tochter Karla geboren. Im Oktober und November 1921 sowie im April 1922 erschienen vier weitere Zeichnungen im Simplicissimus, die nun mit B. Fock-Braun gekennzeichnet waren.[9]
1922 erschienen im Münchner O. C. Recht Verlag drei von ihr illustrierte Bücher: Kunterbunt. Zehn Bilderbuchgeschichten, für die ihr Mann Hanns die Texte verfasst hatte, war mit 180 Farblithografien ausgestattet; zwei Bücher enthielten illustrierte Erzählungen von Gottfried Keller.
Ein weiteres Buch mit Kinderliedern aus Des Knaben Wunderhorn, die sie aussuchte und illustrierte, folgte 1923. In diesen Werken war ihr zeichnerischer und malerischer Stil noch vom Jugendstil und von der Malweise Ernst Kreidolfs beeinflusst.[10][11]
1924 kam ihre Tochter Karla zur Welt. Im Folgejahr illustrierte sie ein weiteres Buch ihres Mannes, Die Rache der Windgötter.[12] 1930 und 1931 erschienen mehrere Bücher mit ihren Bildern im Jos. Scholz Verlag Mainz in der Reihe Scholz’ Künstler-Bilderbücher, darunter Märchen der Brüder Grimm und später das illustrierte Buch Die Heinzelmännchen nach dem Gedicht von August Kopisch.
Ihre Illustrationen waren zu jener Zeit beispielgebend für die künstlerische Entwicklung des Bilderbuchs in Deutschland.[10] In den 1930er-Jahren gestaltete sie ihre Bilder flächiger und verwendete kräftigere Farben.[11]
1937 erschien Das Männlein Mittenzwei, ein Märchen für Kinder von Paul Alverdes. Es war das erste von insgesamt sieben Kinderbüchern von Alverdes, die bis 1960 erstveröffentlicht und von Braun-Fock illustriert wurden.
Alverdes gehörte ebenso wie Ernst Heimeran, Eugen Roth und Georg Britting zum Münchner Freundeskreis des Ehepaares Braun.[13]
1939 gab der Jos. Scholz Verlag in der Reihe Die fröhlichen Scholzbändchen das Buch Allen Leuten recht getan. Eine lehrreiche Geschichte nach Hans Sachs heraus. Es war bis 1947 das vorerst letzte von Braun-Fock illustrierte Buch.[5]
1947 erschien Friedrich Rückerts Das Männlein in der Gans. Ab 1948 folgten weitere Bücher, die von ihr bebildert wurden. Sie führte ihre Illustrationstechnik mit prägnanten, klaren Formen zu einer zeitgemäßen Buchillustration wie beispielsweise im Buch Der schwarze Schimmel, für das Heimeran die Verse dichtete und das 1956 vom Georg-Lentz-Verlag München veröffentlicht wurde. 1957 erschien im Kinderbuchverlag Berlin die Lizenzausgabe des Buches für die DDR.[14] Es zählt zu den besten Kinderbüchern nach dem Zweiten Weltkrieg.[10]
1957 illustrierte sie die Weihnachtsgeschichte Ladislaus und Annabella von James Krüss, das ebenfalls im Lentz Verlag und zeitgleich im Alfred Holz Verlag Berlin als Lizenzausgabe für die DDR erschien.[15]
In den beiden Folgejahren illustrierte Braun-Fock zwei weitere Kinderbücher von James Krüss.
In der Zeit von 1958 bis 1962 veröffentlichte der Verlag Gerhard Stalling in seiner Reihe Künstlerbilderbücher insgesamt fünf neue Kinderbuchtitel, die von Braun-Fock illustriert wurden, darunter Kapitän Bommel und die Seeschlange von Günter Spang.
Zu den Werken Braun-Focks gehörten neben Illustrationen für Bilder-, Kinder- und Jugendbücher illustrierte Sprachlern- und Schulbücher, Bücher mit Spielanleitungen und Spiele. Einige Buchtitel erschienen in englischer, norwegischer und französischer Sprache.[11]
1966 erschien im Scholz Verlag Wiesbaden das letzte von ihr illustrierte Bilderbuch Herr Kunterbunt aus Kunterland. Den Text hatte Barbara Götz verfasst. Im September des gleichen Jahres starb Braun-Focks Ehemann Hanns. In ihren nachfolgenden Lebensjahren erteilte sie Angeboten zu weiteren Illustrationsaufträgen Absagen.[5]
Sie starb am 31. Januar 1973 in Bad Wiessee.
Würdigungen, Nachlass und Rezeption
1957 wurde das Kinderbuch Der schwarze Schimmel für den Deutschen Jugendbuchpreis nominiert. Die Jury lobte in ihrer Begründung die „Einheit von Wort und Bild“ des Buches mit „reizenden Illustrationen“ und „knappen Versen“.[16]
1970 erhielten Braun-Fock und Alverdes in Anerkennung ihrer gemeinsamen Verdienste in Kinderbuchbereich ein dreimonatiges Stipendium der Villa Massimo in Rom.[5]
Im Jahr 2005 erhielt das TroisdorferBilderbuchmuseum aus dem Nachlass von Braun-Fock neben Briefen, Manuskripten und Erstausgaben ihrer Bücher auch Andrucke sowie 1.624 Originalillustrationen, Entwürfe und Skizzenbücher.[17] An einigen Originalillustrationen wurden umfangreiche Restaurierungsarbeiten notwendig und im Jahr 2009 ausgeführt.[18]
Die Deutsche Schillergesellschaft nahm 2012 Briefe von Braun-Fock sowie ihre Originalzeichnungen zu Kinderbüchern von Alverdes in den Teilnachlass Paul Alverdes auf.[19]
Vom 8. November 2015 bis Februar 2016 fand im Bilderbuchmuseum Troisdorf eine Bestandsausstellung zum Thema Im tiefen dunklen Wald mit Originalen aus der Sammlung des Museums statt, in der Illustrationen von Braun-Fock gezeigt wurden.[20]
2020 erweiterte die Stadtbibliothek Mainz ihre Sondersammlung zum Verlag Jos. Scholz-Mainz um 150 antiquarischen Malbücher aus der Reihe Scholz’ Künstler Malbücher, in der von Braun-Fock geschaffene Malbücher und Malvorlagen enthalten waren.[21]
Neuauflagen einiger von Braun-Fock illustrierten Kinderbücher wie Die Heinzelmännchen, Ladislaus und Annabella, Das Schlaftürlein, Der schwarze Schimmel und Kapitän Bommel und die Seeschlange erschienen in den 2010er-Jahren.
Die Deutsche Nationalbibliothek fertigte 2021 elektronische Reproduktionen des von Braun-Fock illustrierten Kinderbuchs Die Heinzelmännchen der 1946 erschienenen Ausgabe an sowie von Rotkäppchen, das 1930 erschienen war. 2022 folgten die elektronischen Reproduktionen Das Männlein in der Gans von 1947 und Das Zirkus-Schifflein Birli von 1948, ebenfalls mit Illustrationen von Braun-Fock.
Werke (Auswahl)
Eigene illustrierte Bücher
Das hab‘ ich gemacht. Märchen-Bilderbuch zum Selbstanfertigen. Jos. Scholz, Mainz 1930, DNB365482838
Der treue Teddy. Jos. Scholz, Mainz 1931, DNB572305729
Zehn kleine Negerbuben. Jos. Scholz, Mainz 1932, DNB579246752
Das Zirflein. Rütten und Loening, Darmstadt/Frankfurt am Main 1951, DNB450063461
Das Traum-Pferdchen. Ein Märchen für Kinder. Mit Bildern von Beatrice Braun-Fock. Herold, Stuttgart 1967, DNB450063437
Vom dicken fetten Pfannkuchen. Stalling, Oldenburg/Hamburg 1960, DNB450063259
Bücher mit James Krüss
Ladislaus und Annabella. Lentz, München 1957, DNB452608848
Das verzauberte Dorf. Stalling, Oldenburg/Hamburg 1958, DNB452608546
ABC, ABC, Arche Noah sticht in See! Obpacher Buch- und Kunstverlag, München 1959, DNB452608422
Illustrierte Sprachlern- und Schulbücher
Dr. Heil Schnellkurs Französisch für Deutschsprechende. Fortschritt Sprachenverlag Richard Pille, München 1932
Alfredo Tortori: Storielle allegre. Lustige Geschichtchen, eine Sammlung italienischer Kurzgeschichten und Anekdoten. Fortschritt-Sprachenverlag, München 1938, (Dr. Heils neue Fremdsprachen-Lektüre), DNB362899169
Reinhard Ludwig: Im Wundergarten. Teil I. Bayrischer Schulbuchverlag, München 1951, DNB453974538
Linda Ruf: Hopp, hopp, ihr zwei. Ein Rechenübungsbuch für die 2. Klasse. Bayrischer Schulbuchverlag, München 1956, DNB454228546
Illustrierte Bücher mit Spielanleitungen und Spiele
Ernst Heimeran: Spielbuch für Erwachsene. Heimeran, München 1935, DNB573720703
Erika Zimmermann: Neue Kasperspiele. Neue Spiele für das Puppentheater mit Spiel- und Bastelanleitungen. Bardtenschlager, Reutlingen 1958, DNB455821321
Eva Laue: Kaspertheater. Neue Handpuppenspiele mit Spielanweisungen. Hamburg 1961, DNB452724317
Eva Laue: Neue Handpuppenspiele. Bardtenschlager, München 1965, DNB452724309
Schwarzer Peter. Kartenspiel. Josef Friedrich Schmidt Spielefabrik München
↑Richard Riemerschmid In: Die Gesichter des Deutschen Kunstarchivs. Germanisches Nationalmuseum. Abgerufen am 10. April 2023.
↑ abcdeLexikon der Illustration im deutschsprachigen Raum seit 1945. Bettina Kümmerling-Meibauer: Beatrice Braun-Fock im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar). Abgerufen am 10. April 2023.
↑Fock, Beatrice In: Simplicissimus – die historische Satirezeitschrift. Personenliste. (www.simplicissimus.info). Abgerufen am 10. April 2023.
↑Verzeichnis der Simplicissimus-Beiträger. In: Simplicissimus – die historische Satirezeitschrift. (PDF; 4 MB). Abgerufen am 10. April 2023.
↑Fock-Braun, Beatrice In: Simplicissimus – die historische Satirezeitschrift. Personenliste. (www.simplicissimus.info). Abgerufen am 10. April 2023.
↑ abcTaciana Valio Ottowitz: Bilderbuchillustration in den 60er und 70er Jahren in der Bundesrepublik und Parallelen zur Kunstszene. Dissertationen der Ludwig-Maximilians-Universität München, Band 12, Münsterscher Verlag für Wissenschaft, München 2017, ISBN 978-3-95925-031-3, urn:nbn:de:bvb:19-192798 (PDF; 8 MB), S. 89, 92 und 100. Abgerufen am 10. April 2023.
↑ abcBarbara Murken: „1 2 3 – wir sind so frei“. Die fröhlichen Bilderbücher der Beatrice Braun-Fock. In: Aus dem Antiquariat. Zeitschrift für Antiquariate und Büchersammler. Nr. 5, 4. Oktober 2005, ISSN0343-186X, S. 335–348 (PDF; 28 MB). Abgerufen am 10. April 2023.
↑Hanns Braun, Beatrice Braun-Fock: Die Rache der Windgötter. Volksverband d. Bücherfreunde, Wegweiser-Verlag, 1925.OCLC252676831
↑Ingeborg Schuldt-Britting: Sankt-Anna-Platz 10. Erinnerungen an Georg Britting und seinen Münchner Freundeskreis. Buchendorfer, München 1999, ISBN 978-3-927984-98-1, (PDF; 6,5 MB), S. 78, 152 und 184. Abgerufen am 10. April 2023.
↑Jahresbericht 2009. Burg Wissem Bilderbuchmuseum der Stadt Troisdorf, S. 8. Abgerufen am 10. April 2023.
↑Ulrich Raulff: Jahresbericht der Deutschen Schillergesellschaft 2012/2013. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Band 57, Wallstein, Göttingen 2013, doi:10.46500/83531322-023, S. 638 (PDF; 1,8 MB). Abgerufen am 10. April 2023.