Antithrombin III (AT III) oder Antithrombin (AT) ist ein endogenes in der Leber synthetisiertes Serpin und einer der wichtigsten natürlichen Hemmstoffe der Blutgerinnung und wurde auch als Heparin-Cofaktor bezeichnet.
Antithrombin hemmt die Serinproteasen der plasmatischen Gerinnung, baut Thrombin (Faktor IIa) proteolytisch ab und aktiviert an den Endothelzellen die Synthese des t-PA (Plasminogenaktivator vom Gewebetyp).
Antithrombin wird durch Heparin in seiner Wirksamkeit verstärkt und beschleunigt (etwa 1000-fach).
Ein Mangel an Antithrombin III[2] kann also eine Unwirksamkeit des Heparins oder einen hohen Heparinbedarf zur Folge haben.[3] Nach Operationen sinkt das AT III regelmäßig ab.[4] Es ist daher nur eingeschränkt geeignet, eine Verbrauchskoagulopathie nachzuweisen.
Therapeutische Verwendung
Zur Substitution bei einem erblich bedingten oder erworbenen (akutes Leberversagen, Verbrauchskoagulopathie, Hämodialyse, Plasmapherese) Antithrombinmangel wird AT III, genannt auch Heparin-Cofaktor,[5] langsam intravenös zur Prophylaxe oder Therapie von thromboembolischen Komplikationen verabreicht. AT III wird aus mittels Blutspende gewonnenem menschlichen Plasmaprotein durch Fraktionierung gewonnen (Antithrombin aus Humanplasma, hpAT) oder aus der Milch gentechnisch veränderter Säugetiere isoliert (rekombinantes humanes Antithrombin, rhAT).
Antithrombin aus Humanplasma
Die Dosierung von 1 IE/kg erhöht den AT III-Spiegel um etwa 1–1,5 % (Handelsnamen von Antithrombin-III-Konzentraten: Anbinex, Kybernin, Atenativ).
Rekombinantes humanes Antithrombin
Die Milch von genetisch veränderten Ziegen aus den Farmen des US-Unternehmens GTC Biotherapeutics enthält das rekombinante humane Antithrombin, das den internationalen FreinamenAntithrombin alfa trägt, in einer Konzentration von bis zu 10 g pro Liter Milch.[6] Unter dem HandelsnamenATryn wurde es im Juli 2006 für den europäischen[7] und im Februar 2009 für den US-amerikanischen Markt[8] zugelassen zur Vorbeugung gegen eine venöse Thromboembolie bei chirurgischen Eingriffen an Patienten mit erblich bedingtem Antithrombinmangel. Angestrebt wird die Indikationserweiterung auch für Patienten, bei denen solch ein Mangel nicht erblich bedingt ist.[9] Antithrombin alfa ist der erste Arzneistoff, der unter Verwendung von gentechnisch gezeugten Tieren hergestellt wird.[9] GTC wählte deswegen Ziegen für den Prozess aus, weil sie sich schneller reproduzieren als Rinder und mehr Protein erzeugen als Hasen oder Mäuse[10] und gibt an, dass eine genetisch veränderte Ziege pro Jahr dieselbe Menge Antithrombin produzieren kann wie 90.000 Blutspenden.[11] Die gentechnische Manipulation erfolgt durch Mikroinjektion von humanen Antithrombin-Genen in den Zellkern eines Ziegenembryos.[12] Parallel mit dem pharmazeutischen Regulierungsausschuss (pharmaceutical regulatory board) der FDA genehmigte das Center for Veterinary Medicine den genetischen Aufbau der Ziegen für die Arzneistoffproduktion.[9]
Eigenschaften
Antithrombin ist ein Glycoprotein, dessen Proteinkomponente aus 432 Aminosäuren besteht und bei aus Humanplasma gewonnenem Antithrombin (hpAT) und dem rekombinant hergestellten Antithrombin (rhAT) identisch ist. Unterschiede bestehen dagegen in der Glykosylierung, d. h. Art und Zahl der Zuckerketten, die an das Protein angehängt werden. Daraus resultiert eine deutlich unterschiedliche Bindungsaffinität gegenüber Heparin, die für rhAT in vitro circa viermal stärker ist als die des hpAT.[13]
Die inhibierende Aktivität von rhAT und hpAT auf Thrombin (Faktor IIa) und den Faktor Xa ist etwa gleich. Sie beruht auf der Komplexbildung zwischen Antithrombin und dem Gerinnungsenzym. Die Bildung der Komplexe findet langsam statt, ihr Abbau erfolgt im retikuloendothelialen System.[13] Heparin beschleunigt die Bildung des Antithrombin-Gerinnungsenzym-Komplexes um das etwa 1000-fache.
Die Antithrombinkonzentration im menschlichen Plasma beträgt normalerweise 12,5–15 mg/dl. Die Antithrombin-Aktivität von 1 ml normalem Humanplasma beträgt definitionsgemäß 1 Internationale Einheit (IE) pro Milliliter, was auch mit 100 % gleichgesetzt wird.
Literatur
Soler E, Thépot D, Rival-Gervier S, Jolivet G, Houdebine LM: Preparation of recombinant proteins in milk to improve human and animal health. In: Reprod. Nutr. Dev. 46. Jahrgang, Nr.5, 2006, S.579–88, doi:10.1051/rnd:2006029, PMID 17107647 (edpsciences.org).
Sabine Panzer-Heinig: Das Antithrombin (III) – Referenzwerterstellung für das Kindesalter. Bedeutung für die DIC 1992 versus 2007. 18. August 2009 (124 S., fu-berlin.de – Dissertation).
↑Vgl. E. Thaler: Pathogenese und klinische Bedeutung des erworbenen Antithrombin III Mangels in der Inneren Medizin. In: Wiener klinische Wochenschrift. Band 93, 1981, S. 563–572.
↑Vgl. auch W. Dietrich und andere: Antithrombin III Substitution zur Optimierung der Heparinwirkung während extrakorporaler Zirkulation in der Herzchirurgie. In: Der Anaesthesist. Band 33, 1984, S. 422–428.
↑Abhängig auch von Art und Dauer des Eingriffs und dem Patientenzustand. Vgl. etwa H. Gombotz, H. Metzler, K. Hiotakis, P. Rehak: Antithrombin-III-Verhalten bei offenen Herzoperationen im Säuglings- und Kleinkindalter. In: Anästhesie Intensivtherapie Notfallmedizin. Band 21, Nr. 1, 1986, S. 9–12.
↑Vgl. Neu aus der Forschung der Behringwerke AG. Kybernin. In: Der Anaesthesist. Band 33, Heft 1, Januar 1984, S. A 14.
↑ abScientific Discussion (PDF; 779 kB) Europäische Arzneimittelagentur, abgerufen am 8. April 2010.
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