Die Sendung 3 nach 9 (Eigenschreibweise 3nach9[1]) ist die älteste laufende bundesdeutsche Fernseh-Talkshow. Die Sendung wird im Auftrag von Radio Bremen produziert und läuft alle vier Wochen freitags von 22:00 bis 24:00 Uhr bei Radio Bremen TV. Das NDR Fernsehen, das hr-fernsehen und das rbb Fernsehen übertragen ebenfalls die Sendung, die kurz vor der Ausstrahlung aufgezeichnet wird. 3sat wiederholt die Sendung zehn Tage nach der Erstausstrahlung. Von Oktober 2019 bis Oktober 2021 lief die Sendung unter dem Begriff TALK am Dienstag auch alle vier Wochen im Ersten im Wechsel mit Kölner Treff, NDR Talk Show, Nachtcafé und zeitweilig auch mit den Talkshows Club 1 und Hier spricht Berlin.[2]
3 nach 9 wird aus Bremen gesendet, zum ersten Mal am 19. November 1974. Der Start von III nach 9, denn der Name wurde erst Jahre später ebenso wie die Konzeption abgeändert, lief im gemeinsamen Dritten Fernsehprogramm von NDR und Radio Bremen und (damals noch) SFB. Die „III“ stand außerdem dafür, dass drei Moderatoren zugleich anwesend waren, sodass sich die Akteure, Eingeladene wie Saalpublikum, den ihnen genehmsten aussuchen konnten und umgekehrt. Der Name 3 nach 9 war von der zwischen 1970 und 1974 ausgestrahlten ZDF-Sendung Drei mal Neun mit Wim Thoelke inspiriert.[4]
Die Frankfurter Rundschau schrieb anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Sendung: „In den ersten Jahren wurde von Fall zu Fall entschieden, wann der Abspann einsetzte – in unmittelbarer Nähe zu den Moderatoren und zum Saalpublikum, denn Regisseur und Redakteure saßen direkt im Studio und waren immer mal wieder auch im Bild zu sehen.“[5] Der FR-Autor schreibt weiter: „Die Produktionsbedingungen wurden sichtbar gemacht, und diese Transparenz allein war in einem Medium, das zumindest im Unterhaltungssektor die Illusion zu perfektionieren suchte“ von außergewöhnlicher Art – die Sendung wurde als unkonventionell, unschematisch und spontan empfunden.
Dieses neuartige Format beruhte vollständig auf einer Idee des damals neubestellten RB-ProgrammdirektorsDieter Ertel. Dieser, als Pionier des Fernsehdokumentarfilms beim Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart journalistisch zu Ehren gekommen, wollte ein „Anti-Magazin“, live und unmittelbar, von Überraschungen und von der Geistesgegenwart der Beteiligten lebend. Keineswegs wurde das damals frisch aus den USA importierte Fernsehformat der „Talkshow“ übernommen. Diese Redaktion verfolgte ihre ureigenen Ideen – andere nannten das Ergebnis eine „Talkshow“.
Die journalistische Fernsehkritik war einstimmig davon begeistert. Die Juroren des Grimme-Preises vergaben dafür 1976 ihre Auszeichnung mit Bronze an Alfred Mensack und Michael Leckebusch. Harald Keller bewertete 2004 das Erscheinungsbild völlig anders: „… ist 3 nach 9 eine belanglose Personality-Talkshow unter vielen. Bahnen sich zwischen den Gästen Kontroversen an, werden diese von den Moderatoren Amelie Fried und Giovanni di Lorenzo oft eines harmonischen Geplauders zuliebe im Ansatz erstickt.“[6]
Der PianistGottfried Böttger begleitete 3 nach 9 von der ersten Sendung an mit Improvisationen am Klavier. In den letzten Jahren verbrachte er die Pausen dazwischen damit, mit den Fernsehzuschauern zu chatten. Nach 40 Jahren nahm Böttger in der Jubiläumsausgabe seinen Abschied aus der Sendung.[12]
Trivia
Am 19. Februar 1982 war das ehemalige Führungsmitglied der Bewegung 2. JuniFritz Teufel und der damalige Bundesminister für Finanzen Hans Matthöfer (SPD) in der Sendung zu Gast. Während einer Diskussion mit dem Moderator über gutes Benehmen zog Teufel eine Wasserpistole und spritzte den Minister mit Zaubertinte nass. Matthöfer reagierte, indem er Teufel mit einem Glas Wein übergoss.
Am 9. März 1984 war der Bordellchef Karl-Heinz Germersdorf aus Hannover zusammen mit seiner dritten thailändischen Ehefrau und seinem Rechtsanwalt in der Talkshow zu Gast. Er lieferte sich eine verbale Schlacht mit der Politikerin Herta Däubler-Gmelin und der Feministin und Autorin Gerlinde Schilcher. Schilcher kippte Germersdorf im Verlauf der Sendung ein Glas Wein in den Nacken. Die Talksendung wurde als „Thaimädchen-Eklat“ bekannt.
In der Sendung am 22. Juni 1990 war unter anderem Franz Schönhuber zu Gast, der kurz zuvor vom Parteivorsitz der Republikaner zurückgetreten war. Vor dem gläsernen Studio versuchten Demonstranten, den Auftritt Schönhubers zu verhindern, wobei zeitweise Steine gegen die Scheiben des Studios geworfen wurden (wodurch eine Scheibe zu Bruch ging) und die Sendung unterbrochen wurde. Währenddessen hielten friedliche Demonstranten Schilder mit Kritik an Schönhuber an die Scheiben. Das Studio selbst wurde durch Polizeieinheiten abgeschirmt. Zeitweise wurde wegen dieser Umstände innerhalb der Sendung mit Gästen und teilweise auch Zuschauern diskutiert, ob und inwiefern man in dieser Lage die laufende Sendung fortsetzen könne. Dabei kamen kurz auch einige der Demonstranten zu Wort. Die Opernsängerin Anja Silja, ebenfalls zu Gast, verließ wegen der unklaren Situation die Sendung vorzeitig.
Der Schriftsteller Moritz von Uslar veröffentlichte 2001 die Erzählung Drei nach neun über einen gemeinsamen Auftritt mit der damaligen CDU-Vorsitzenden Angela Merkel.[13]
Im Jahre 2009 prallten Nahost-Experte und Journalist Peter Scholl-Latour sowie die israelische Public-Relation-Managerin Melody Sucharewicz in einer heftig geführten Diskussion aufeinander. Streitpunkt war der israelische Gaza-Krieg, der kurz zuvor entflammt war. Scholl-Latour fühlte sich, so wörtlich, „in eine Falle gelockt“ und zu Unrecht in eine antiisraelische Ecke gedrängt, die er so nicht vertreten würde. Er hatte zuvor Israels Palästinapolitik kritisiert; Sucharewicz widersprach energisch. Die Moderatoren di Lorenzo und Fried wurden später für ihre Passivität und ihr Verhalten gegenüber Scholl-Latour öffentlich scharf kritisiert.[14]
↑Moritz von Uslar: „Drei nach neun“, in: Jochen Bonz (Hrsg.): Sound Signatures. Pop-Splitter. Edition Suhrkamp, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-518-12197-9, S. 85–93.